Sharpes Flucht
Weit entfernt, in südlicher Richtung, stieg eine Rauchsäule aus einem Tal auf, ein Zeichen dafür, dass die Franzosen das Land durchsuchten, aber Sharpe war sich ziemlich sicher, dass sich kein Reiter so weit hierherauf wagen würde. Hier oben gab es nichts zu stehlen, nur Heide, Stechginster und Felsen.
Die beiden Mädchen litten. Der Pfad war steinig, und Sarahs nackte Füße waren für die raue Strecke zu zart, also gab Sharpe ihr seine Stiefel, wobei er zuerst ihre Füße mit Stofffetzen umwickelte, die er von dem zerfransten Saum ihres Kleides – oder dem, was davon übrig war – abriss. »Blasen wirst du trotzdem bekommen«, warnte er sie, aber eine Zeitlang kam sie dennoch besser voran. Joana, die an ein hartes Leben gewöhnt war, ging weiter, obwohl ihre Fußsohlen bluteten. Und immer noch stiegen sie bergan, wobei sie zuweilen den Wachturm aus den Augen verloren, wenn sich der Pfad zwischen Schluchten hindurchschlängelte. »Ziegenpfade«, vermutete Vicente. »Kein anderes Geschöpf könnte hier oben leben.«
Sie stiegen hinab in ein kleines Hochtal. Ein schmaler Bach floss zwischen moosbewachsenen Felsen, und Sharpe füllte ihre Feldflaschen auf. Dann verteilte er das letzte Essen, das er aus Ferragus’ Lagerhaus mitgenommen hatte. Joana massierte sich die Füße, und Sarah bemühte sich, nicht zu zeigen, wie sehr die neu gebildeten Blasen sie schmerzten.
Sharpe nickte Harper zu. »Du und ich«, sagte er, »wir gehen den Berg da hinauf.« Harper sah sich nach dem Berg um, der zu ihrer Linken aufragte. Er lag nördlich, abseits ihres Pfads, und auf seinem Gesicht zeichnete sich Unverständnis ab. Weshalb sollte Sharpe dort hinaufsteigen wollen? »Wir gönnen ihnen eine Pause«, sagte Sharpe und nahm Sarah seine Stiefel ab, die ihre Füße dankbar im Wasser kühlte. »Von dort oben können wir weit sehen«, sagte Sharpe. Vielleicht nicht so weit wie von dem Wachturm, aber der Weg den Hügel hinauf war eine gute Begründung, um den Mädchen ein bisschen Zeit zur Erholung zu lassen.
Sie machten sich an den Aufstieg. »Wie geht es Ihren Füßen?«, fragte Harper.
»Blutige Fetzen«, erwiderte Sharpe.
»Ich frage mich, ob ich Joana meine Stiefel geben soll.«
»Sie würde sich vermutlich fühlen, als trüge sie an jedem Fuß ein Boot«, antwortete Sharpe.
»Sie kommt aber zurecht. Ein zähes Mädchen ist sie.«
»Das muss sie ja auch sein, wenn sie es mit dir aushält, Pat.«
»Mit Frauen bin ich so sanft wie das Licht, ja, das bin ich.«
Sie stiegen geradewegs durch das verschlungene Heidekraut hinauf, der Anstieg war nicht weniger steil als der Hang, an dem die Franzosen in Bussaco angegriffen hatten, und beide hörten zu reden auf, lange ehe sie den Gipfel erreichten. Sie sparten ihren Atem. Schweiß lief Sharpe über das Gesicht, als er sich dem Gipfel näherte, der mit Felsgestein übersät war. Er blickte stetig nach oben, hoffte, dass die Felsen näher kamen, und beim vierten oder fünften Blick nahm er eine winzige Bewegung wahr, sah den Musketenlauf, der sich bewegte, und warf sich zur Seite. »Runter, Pat!«
Sharpe schob das Gewehr nach vorn, als die Muskete feuerte. Die Rauchwolke wallte zwischen den Felsen auf, und die Kugel schlug zwischen ihm und Harper durch das Heidekraut. Augenblicklich sprang Sharpe auf die Beine, seine Müdigkeit war wie weggeblasen, er rannte schräg den Hang hinauf und reizte damit jeden, der sich noch auf dem Gipfel befand, auf ihn zu feuern, aber kein Schuss ertönte. Stattdessen hörte er das Klappern eines Ladestocks im Lauf und wusste, dass derjenige, der geschossen hatte, nachlud. Er eilte nach oben, sah sich dabei beständig nach einem weiteren Gewehrlauf um, und dann entdeckte er den Mann, einen jungen Mann, der sich ein Stück hinter einem Felsen erhob.
Sharpe blieb stehen und brachte das Gewehr in Anschlag. Dann hatte der junge Mann ihn entdeckt, er sah den Soldaten fünfzig Schritte von der Stelle entfernt, an der er ihn vermutet hatte, und wollte seine Muskete neu ausrichten. Dann begriff er jedoch, dass jeder weitere Zoll Bewegung zur Folge haben würde, dass der Soldat im grünen Rock den Abzug betätigen würde, und er verharrte regungslos.
»Leg die Waffe nieder«, sagte Sharpe.
Der junge Mann verstand ihn nicht. Er sah von Sharpe zu Harper, der jetzt auf der anderen Seite zu ihm hinaufstieg. »Leg die verdammte Waffe nieder«, knurrte Sharpe und trat vorwärts, wobei er das Gewehr auf Anschlag behielt. »Runter.«
»Arma« , rief Harper,
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