Sharpes Flucht
benutzt und sie gezwungen, in einen Seitenarm des Tajo zu rudern und sich dort versteckt zu halten, bis die Franzosen sich zu langweilen begannen und ihres Weges ritten. Und jetzt, wo das Ende der Reise in greifbarer Nähe lag, tauchte auch noch dieses Kanonenboot auf.
Zuerst hatte sich Ferreira keine Sorgen gemacht, als er das Boot in der Mitte des Stroms entdeckte. Er hatte seinen höheren Rang und seine Uniform, um sich gegen jeden alliierten Offizier durchzusetzen, doch dann hatte das Schiff unvermittelt das Feuer eröffnet. Er hatte nicht gewusst, dass die Squirrel ihn nur warnen und ihm befehlen wollte, sein Boot entweder zu wenden oder auf der Insel, die an den kleineren Kanal grenzte, auf Grund zu setzen. Stattdessen glaubte er, er stünde unter Beschuss, also herrschte er seinen Bruder und die drei Männer an, sie sollten schneller rudern. In Wahrheit geriet er in Panik. Er hatte sich über den Empfang, der ihn in Lissabon erwartete, Sorgen gemacht, seit sich die britische Armee aus Coimbra zurückgezogen hatte. Hatte irgendjemand von den Lebensmitteln in dem Lagerhaus Wind bekommen? Er hatte ein schlechtes Gewissen, und dieses Gewissen trieb ihn dazu, vor dem Kanonenbeschuss zu flüchten. Er glaubte schon, er habe es geschafft, bis er schwach durch den Nebel, der über dem von der Biegung des Flusses umschlossenen Streifen Land lag, das Dickicht der Masten sah: Eine ganze Flotte von Booten blockierte den Fluss.
Er stand jetzt im Heck des Boots, starrte vor sich hin und sah mit großer Erleichterung die Forts, die die Hauptstraße nördlich von Lissabon bewachten. Wirbel von sich lichtenden Nebeln enthüllten die Befestigungsanlagen auf den Hügeln, und Ferreira sah die portugiesische Fahne, die über dem nächststehenden Fort wehte. Er riss das Ruder herum, um das Boot ans Ufer zu lenken. Mit den portugiesischen Soldaten würde er leichter fertigwerden als mit den britischen Soldaten, dachte er.
»Wir werden verfolgt«, warnte ihn sein Bruder.
Ferreira drehte sich um und sah das Beiboot, das in der Mitte des Flusses schnell durchs Wasser glitt. »Wir gehen an Land«, sagte er. »Dorthin werden sie uns nicht folgen.«
»Werden sie das nicht?«
»Es sind Seeleute. Die hassen es, auf festem Land zu sein.« Ferreira lächelte. »Wir begeben uns auf das Fort«, sagte er und reckte sein Kinn in Richtung der neuen Bastionen, die die Straße beherrschten. »Dort beschaffen wir uns Pferde, und heute Nachmittag sind wir in Lissabon.«
Das Boot fuhr ans Ufer, und die fünf Männer trugen ihre Waffen und das französische Geld die Böschung hinauf. Ferreira warf noch einen Blick zurück und sah, dass das Beiboot gewendet hatte und nur langsam vorankam, als es versuchte, gegen die Strömung zu fahren. Er nahm an, die Seeleute wollten sich sein Boot holen, das sie gern haben konnten, denn er war jetzt in Sicherheit.
Als die fünf Männer aber durch die Sträucher auf dem Kamm der Böschung brachen, stießen sie auf eine weitere Schwierigkeit. Der Fluss war hier von einem Wall umgeben, doch weiter südlich musste der große Erdwall aufgebrochen worden sein, um das Wasser das Land überfluten zu lassen. Ferreira sah, dass der Weg bis zum nächststehenden Fort nicht leicht werden würde, denn das Land war überschwemmt, und das bedeutete, dass sie landeinwärts gehen mussten, um den Fluten auszuweichen. Das war nicht weiter schlimm, doch dann erschrak er plötzlich, denn irgendwo im Nebel vor ihm ertönte ein Kanonenschuss. Das Echo breitete sich zwischen den Hügeln aus, aber keine Kugel schlug in ihrer Nähe ein, und kein zweiter Schuss folgte, was vermutlich bedeutete, dass es keinen Grund zur Sorge gab. Wahrscheinlich hatte ein Kanonier seine Waffe neu ausgerichtet oder ein freigebohrtes Zündloch ausprobiert.
Sie gingen nach Westen, folgten dem sumpfigen Rand der Flut, und nach einiger Zeit erkannte Ferreira vage durch den Nebel ein Gehöft, das auf einer Anhöhe stand. Zwischen ihnen und dem Gehöft erstreckte sich ein breiter Streifen morastigen Landes, aber wenn er diese Gebäude erreichen könnte, so dachte er, wäre er von den Forts auf den südlichen Höhen nicht mehr allzu weit entfernt. Dieser Gedanke brachte Ferreira zu der Überzeugung, dass alles gut werden würde, dass die Turbulenzen der letzten Tage von zwar unverdientem, aber willkommenem Erfolg gekrönt sein würden. Er begann zu lachen.
»Was ist denn?«, fragte sein Bruder.
»Gott meint es gut mit uns, Luis.«
»Tut er das?«
»Wir haben
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