Sharpes Flucht
hungrig sein, aber sie schienen noch immer ziemlich guter Stimmung, während sie am Pferd ihres Generals vorüberzogen. Manche trugen Stiefel, denen die Sohlen fehlten, andere hatten sich die Sohlen mit Strippen an den Stiefelschaft geknotet, und ihre Uniformen waren verblichen, zerrissen und fadenscheinig, aber er bemerkte, dass ihre Musketen sauber waren, und er hegte keinen Zweifel daran, dass sie gut kämpfen würden, wenn sie überhaupt in einen Kampf verwickelt werden würden. Für die meisten von ihnen, so vermutete er, würde der Vormittag zu einem ermüdenden Gestampfe durch schlammige Felder werden, belebt durch gelegentliches britisches Artilleriefeuer. Die letzte Kompanie marschierte vorbei, und Sarrut trieb sein Pferd an, um ihnen zu folgen.
Vor ihm befanden sich eine Brigade von Plänklern, ein nebelverhangenes Tal, ein Feind, der nichts argwöhnte, und im Augenblick zumindest Stille.
Lieutenant Jack Bullen war ein anständiger junger Mann, der aus einer anständigen Familie stammte. Sein Vater war Richter, und seine beiden älteren Brüder waren Rechtsanwälte, aber der junge Jack hatte sich in der Schule nie hervorgetan, und sosehr sich seine Lehrer auch bemüht hatten, ihm Latein und Griechisch in den Schädel zu peitschen, sein Schädel hatte den Sieg davongetragen und war von jeglicher Fremdsprache unbeleckt geblieben. Bullen hatte sich aus den Prügeln nie viel gemacht. Er war ein zäher, fröhlicher Junge gewesen, von dem Schlag, der Vogeleier sammelte, mit anderen Jungen herumzog und als Mutprobe auf den Turm der Kirche kletterte. Und jetzt war er ein zäher, fröhlicher junger Mann, der der Ansicht war, Offizier in Lawfords Regiment zu sein sei so ungefähr das Größte, was das Leben ihm bieten konnte.
Er mochte das Soldatenleben, und er mochte die Soldaten. Manche Offiziere fürchteten ihre Männer mehr, als sie den Feind fürchteten, aber der junge Jack Bullen mit seinen neunzehn Jahren hatte seine Freude an der Kameradschaft unter den Offizieren und den Mannschaften. Er lachte über ihre kümmerlichen Witze, trank begeistert ihren fürchterlichen Tee und betrachtete sie alle, sogar die, die sein Vater vermutlich zum Tode, zu Deportation oder Zwangsarbeit verurteilt hätte, als tolle Kerle. Obwohl er wesentlich lieber mit den tollen Kerlen seiner alten Kompanie zusammen gewesen wäre. Er mochte die Neunte Kompanie, und auch wenn Jack Bullen nicht direkt etwas gegen die Leichte Kompanie hatte, so fand er sie doch als schwierig. Nicht die Männer, Bullen hatte ein natürliches Talent dafür, mit den Männern klarzukommen, aber den befehlshabenden Offizier der Leichten Kompanie empfand er als Herausforderung. Es bedurfte einer Menge, um dem jungen Jack Bullen die Laune zu verderben, aber Captain Slingsby war genau das auf irgendeine Weise gelungen.
»Er ist unpässlich«, sagte Sergeant Read respektvoll.
»Er ist unpässlich«, wiederholte Bullen tonlos.
»Unpässlich«, bestätigte Read. Dass ein Mann unpässlich war, bedeutete, er war krank, aber in Wahrheit hatte Read sagen wollen, dass Captain Slingsby betrunken war. Als Sergeant durfte er so weit jedoch nicht gehen.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Bullen. Er hätte die zwanzig Schritte gehen können, um es selbst herauszufinden, aber er hatte das Kommando über die Wachen, die den Fluss kurz vor der halb zusammengefallenen Scheune säumten, und er wollte Slingsby nicht gern gegenübertreten.
»Sehr schlimm, Sir«, sagte Read mit schwerer Stimme. »Er spricht über seine Frau, Sir. Er sagt hässliche Dinge über sie.«
Bullen hätte gern erfahren, was für Dinge da gesagt wurden, aber er wusste, der Sergeant, der ein Methodist war, würde ihm dies nie erzählen, also grunzte er lediglich, um anzuzeigen, dass er verstanden hatte.
»Es verstört die Männer, Sir«, berichtete Read. »Solche Dinge sollten über Frauen nicht gesagt werden. Erst recht nicht über Ehefrauen.«
Bullen vermutete, dass Slingsby die Männer eher amüsierte als verstörte, und das war schlecht. Ein Offizier, so leutselig er auch sein mochte, hatte eine gewisse Würde zu bewahren. »Kann er noch gehen?«
»Kaum, Sir«, sagte Read, dann berichtigte er seine Antwort. »Nein, Sir.«
»O mein Gott«, entfuhr es Bullen, der sah, wie Read ob der milden Blasphemie zusammenzuckte. »Wo hat er den Alkohol denn herbekommen?«
Read schniefte. »Von seinem Burschen, Sir. Der hat einen Tornister, gefüllt mit Feldflaschen, und der Captain hat die ganze Nacht
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