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Sharpes Flucht

Sharpes Flucht

Titel: Sharpes Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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halbe Armee aufmarschieren lassen konnte, und das größte Problem, mit dem er gerechnet hatte, war die Frage, was er mit den Tausenden von britischen und portugiesischen Gefangenen anfangen sollte, die er zu machen gedachte. Stattdessen stand er jetzt einer scheinbar endlosen Barriere gegenüber. Er sah, wie die oberen Hänge der gegenüberliegenden Hügel steiler gemacht worden waren, er sah, wie die Geschütze des Feindes mit Barrikaden aus Steinen geschützt worden waren, er sah die überfluteten Zugangsstraßen, und er sah sein Scheitern.
    Er holte tief Luft und wusste noch immer nicht, was er sagen sollte. Er stieß sich von der Mauer ab und nahm sein Auge vom Fernglas. Er hatte geplant, hier entlangzumanövrieren. Einen Teil seiner Armee hatte er auf der Straße zeigen wollen, um die Streitkräfte des Feindes zusammenzuziehen, die annehmen würden, dass ein Angriff unmittelbar bevorstand, und dann hatte er den größeren Teil der l’Armée de Portugal im Westen herumführen wollen, in einer Schleife, die Wellingtons Männern den Weg abschneiden sollte. Er hätte die Briten und Portugiesen mit dem Rücken zum Tajo umzingelt und dann großmütig ihre Kapitulation entgegengenommen, doch stattdessen gab es jetzt keinen Weg, den seine Armee einschlagen konnte, nur den, der auf diese Mauern, diese Geschütze und künstlich steil gemachten Hänge zuführte.
    »Die Forts erstrecken sich bis zum Atlantik«, berichtete ein Stabsoffizier trocken.
    Masséna sagte nichts, und einer seiner Adjutanten, der wusste, was seinem Herrn im Kopf herumging, stellte stattdessen die Frage: »Doch sicher nicht den ganzen Weg?«
    »Jede einzelne Meile«, erwiderte der Stabsoffizier ausdruckslos. Er war die gesamte Breite der Halbinsel abgeritten, von Dragonern beschützt und den ganzen Weg über beobachtet von Feinden, die hinter ihren Batterien, Forts und Wachtürmen verschanzt saßen. »Und über eine weite Strecke«, fuhr er erbarmungslos fort, »werden die Befestigungen vom Fluss Sizandre gedeckt, und dahinter befindet sich noch eine zweite Linie.«
    Masséna fand seine Stimme wieder und wandte sich zornbebend an den Stabsoffizier. »Eine zweite Linie? Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil es zu sehen ist, Sir. Zwei Linien.«
    Wieder starrte Masséna durch das Glas. War irgendetwas merkwürdig an den Geschützen in der Bastion, die ihm direkt gegenüberstand? Er erinnerte sich jetzt daran, wie er die Österreicher in Genua belagert hatte. Damals hatte er Geschützattrappen in seine Verteidigungsanlagen gestellt. Es waren bemalte Baumstämme gewesen, die aus den Stellungen ragten, und aus mehr als zweihundert Schritt Entfernung hatten sie mehr oder weniger wie Kanonenrohre gewirkt, und die Österreicher waren den gefälschten Batterien ausgewichen. »Wie weit ist es bis zum Meer?«, fragte er.
    »Fast dreißig Meilen, Sir«, wagte der Adjutant eine grobe Schätzung.
    Masséna stellte Berechnungen an. Mindestens drei Bastionen standen auf jeder Meile, und die Bastionen, die er sehen konnte, hatten alle vier Kanonen, manche sogar mehr. Wenn man also vorsichtig schätzte, befanden sich zwölf Kanonen auf jeder Meile, was bedeutete, dass Wellington allein für die erste Linie fast vierhundert Kanonen zusammengebracht haben musste, und diese Annahme war einfach lächerlich. So viele Kanonen gab es in ganz Portugal nicht, und das bestärkte den Marschall in seinem Glauben, dass einige der Kanonen Attrappen sein mussten. Dann dachte er an die britische Marine und fragte sich, ob man vielleicht die Kanonen der Schiffe ans Ufer gebracht hatte. Großer Gott, durchfuhr es ihn, aber wie sollten sie denn das bewerkstelligt haben?
    »Weshalb haben wir nichts davon gewusst?«, verlangte er zu erfahren. Schweigen herrschte. Masséna drehte sich um und starrte Oberst Barreto an. »Warum haben wir nichts davon gewusst?«, fragte er noch einmal. »Sie haben mir gesagt, sie bauen zwei Forts, um die Straße zu bewachen. Sieht das vielleicht aus wie zwei lausige Forts?«
    »Wir sind nicht informiert worden«, erwiderte Barreto bitter.
    Masséna beugte sich zum Fernglas nieder. Er war wütend, aber er hielt seine Gefühle im Zaum und versuchte, eine Schwäche in der so sorgsam errichteten Verteidigungslinie des Feindes zu entdecken. Ihm gegenüber, neben der Bastion mit den merkwürdig dunklen Geschützen, erstreckte sich ein Tal. Er konnte er keine Befestigungen ausmachen, aber das hatte nicht viel zu bedeuten, denn die gesamte Ebene war in Nebel

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