Sharpes Flucht
später kam er zurück. Er kehrte als reicher Mann zurück, Mister Sharpe, und ziemlich entschlossen, dass niemand ihn jemals wieder prügeln würde.«
»Ich habe es getan«, sagte Sharpe.
»Richard!«, tadelte Hogan.
Ferreira schenkte Hogan keine Beachtung, sondern blickte Sharpe über die Kerzen hinweg an. »Er hat das nicht vergessen«, sagte er ruhig.
»Aber das ist jetzt alles geregelt«, warf Hogan ein. »Ein Missverständnis. Man hat sich entschuldigt. Probieren Sie doch etwas von diesem Käse, Major.« Er schob einen angeschlagenen Teller mit Käse über den Tisch. »Major Ferreira und ich haben den ganzen Nachmittag über Deserteure befragt, Richard.«
»Franzosen?«
»Herr des Himmels, nein! Portugiesen.« Hogan erklärte, dass sich nach dem Fall von Almeida Scharen aus der portugiesischen Garnison jenes Stützpunkts freiwillig der portugiesischen Legion, einer französischen Einheit, angeschlossen hatten. »Wie es aussieht«, erklärte Hogan, »haben sie es getan, um in die Nähe unserer Linien zu gelangen und dann zu desertieren. Über dreißig sind heute Abend zu uns gekommen. Und sie sagen alle einstimmig, dass die Franzosen morgen angreifen werden.«
»Glauben Sie ihnen?«
»Ich glaube, dass sie die Wahrheit sagen, soweit sie ihnen bekannt ist«, antwortete Hogan. »Und sie hatten Befehle, sich für einen Angriff bereitzuhalten. Nicht wissen können sie natürlich, ob Monsieur Masséna seine Meinung geändert hat.«
»Monsieur Masséna«, bemerkte Ferreira ätzend. »Der ist zu sehr mit seiner Mätresse beschäftigt, um vernünftig über eine Schlacht nachzudenken.«
»Seine Mätresse?«, fragte Sharpe.
»Mademoiselle Henriette Leberton«, gab Hogan amüsiert zur Antwort. »Sie ist achtzehn Jahre alt, Richard, und Monsieur Masséna ist wie alt? Einundfünfzig? Nein, zweiundfünfzig. Nichts lenkt einen alten Mann so wirkungsvoll ab wie junges Fleisch, was Mademoiselle Leberton zu einer unserer hoch zu schätzenden Verbündeten macht. Die Regierung Seiner Majestät sollte ihr ein Einkommen stellen. Vielleicht eine Guinee pro Nacht?«
Als das Abendessen verzehrt war, bestand Ferreira darauf, Hogan und Sharpe die Kapelle zu zeigen, in der, wie Clayton berichtet hatte, hölzerne Brüste auf dem Altar lagen. Zahlreiche kleine Kerzen flackerten rund um die seltsamen Objekte, und Dutzende weiterer Kerzen waren bis auf die letzten Pfützen Wachs heruntergebrannt. »Frauen bringen diese Brüste her«, erklärte Ferreira, »um von Krankheiten geheilt zu werden. Von Frauenkrankheiten.« Er gähnte, dann zog er eine Taschenuhr aus seiner Westentasche. »Ich muss zurück auf den Hügelkamm«, sagte er. »Ich werde früh schlafen gehen, denke ich. Vielleicht kommen im Morgengrauen ja die Feinde.«
»Hoffen wir’s«, sagte Hogan.
Ferreira bekreuzigte sich, verneigte sich vor dem Altar und verließ die Kapelle. Sharpe lauschte, bis das Geräusch, das die gespornten Stiefel des Majors verursachten, auf dem Gang verhallten. »Was zum Teufel sollte das alles?«, fragte er Hogan.
»Was sollte was, Richard?«
»Dieses Abendessen.«
»Er wollte nur freundlich sein. Ihnen beweisen, dass Ihnen niemand etwas übel nimmt.«
»Aber das tut jemand! Er hat gesagt, sein Bruder hat es nicht vergessen.«
»Er hat es nicht vergessen, aber er ist überredet worden, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Und dasselbe sollten Sie auch tun.«
»Dem Bastard würde ich nicht mal so weit trauen, wie ich spucken kann«, sagte Sharpe. Dann musste er zurücktreten, denn die Tür schwang weit auf, und eine fröhlich lärmende Gruppe britischer Offiziere drängte in den kleinen Raum. Nur ein einziger Mann war nicht in Uniform, sondern trug einen blauen Mantel und eine weißseidene Halsbinde. Es war Lord Wellington, der in Sharpes Richtung blickte, ihn jedoch nicht zu bemerken schien.
Stattdessen nickte der General Hogan zu. »Sie sind gekommen, um zu beten, Major?«, fragte er.
»Ich habe Mister Sharpe die Sehenswürdigkeiten gezeigt, Mylord.«
»Ich glaube nicht, dass Mister Sharpe es nötig hat, sich Nachbildungen anzuschauen«, versetzte Wellington. »Er bekommt vermutlich mehr von den echten Vorbildern zu sehen als die meisten von uns, was?« Seine Stimme klang einigermaßen freundlich, wenn auch mit einem verächtlichen Unterton. Dann blickte er Sharpe direkt an. »Ich habe gehört, Sie haben vor drei Tagen Ihre Pflicht getan, Mister Sharpe«, sagte er.
Sharpe war verwirrt, zuerst vom plötzlichen Wechsel des Tonfalls
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