Sharpes Flucht
und dann von diesem Satz, der ihm nach Hogans Tadel vorhin merkwürdig vorkam. »Ich hoffe es«, gab er vorsichtig zur Antwort.
»Wir können schließlich das Essen nicht den Franzosen überlassen«, sagte der General und wandte sich wieder den modellierten Brüsten zu. »Und ich hätte gedacht, ich hätte mich bezüglich dieser Kriegslist völlig unmissverständlich ausgedrückt.« Die letzten Worte waren in harschem Ton gesprochen worden, sodass die übrigen Offiziere in Schweigen verfielen. Dann lächelte Wellington und wies mit der Hand auf die heiligen Brüste. »In St. Paul’s kann ich mir diese Dinger nicht so richtig vorstellen«, fuhr er fort. »Sie etwa, Hogan?«
»Sie könnten den Ort durchaus verschönern, Mylord.«
»Ja, das könnten sie in der Tat. Ich werde dem Dekan die Angelegenheit vortragen.« Er brach in sein wieherndes Gelächter aus, dann schaute er abrupt wieder Hogan an. »Gibt es irgendeine Nachricht von Trant?«
»Nein, Mylord.«
»Hoffen wir, keine Nachrichten sind gute Nachrichten.« Der General nickte Hogan zu, ignorierte Sharpe von Neuem und führte seine Gäste irgendwohin, wo sie ihr Abendessen einnehmen würden.
»Trant?«, fragte Sharpe.
»Es gibt eine Straße, die um den Kamm der Anhöhe führt«, sagte Hogan, »und wir haben eine Kavallerieeinheit dort und, so glaube ich, eine Gruppe der portugiesischen Bürgerwehr unter Colonel Trant. Sie haben Befehl, uns zu benachrichtigen, sobald sie das geringste Zeichen des Feindes wahrnehmen, aber bisher hat uns keine Nachricht erreicht, also dürfen wir hoffen, dass Masséna die Route unbekannt ist. Wenn er glaubt, die einzige Straße nach Lissabon führe diesen Hügel hinauf, dann muss er diesen Hügel heraufkommen. Ich muss sagen, so unwahrscheinlich es klingt, wird er vermutlich angreifen.«
»Und vielleicht im Morgengrauen«, sagte Sharpe. »Also muss ich ein bisschen schlafen.« Er grinste Hogan an. »Ich hatte also recht mit dem verdammten Ferragus, und Sie lagen falsch?«
Hogan grinste zurück. »Es gehört sich überhaupt nicht für einen Gentleman, darüber zu frohlocken, Richard.«
»Wie hat Wellington davon erfahren?«
»Ich vermute, Major Ferreira hat sich bei ihm beschwert. Er hat gesagt, er würde es nicht tun, aber …« Hogan zuckte mit den Schultern.
»Sie dürfen diesem portugiesischen Bastard nicht vertrauen«, sagte Sharpe. »Holen Sie sich einen Tunichtgut aus Ihrem Haufen, der ihm die Kehle durchschneidet.«
»Der einzige Tunichtgut, den ich kenne, sind Sie«, erwiderte Hogan. »Und Sie hätten längst im Bett sein sollen. Also, gute Nacht, Richard.«
Es war noch nicht spät, vermutlich nicht später als neun, aber der Himmel war bereits pechschwarz, und die Temperatur war erheblich gesunken. Von Westen her war ein Wind aufgekommen und hatte vom weit entfernten Meer kalte Luft herübergebracht. Nebel bildete sich in den Bäumen, als Sharpe den Pfad entlang zurückkletterte, vorbei an den merkwürdigen Statuen in ihren Ziegelhäuschen. Der Pfad war jetzt menschenleer. Der größte Teil der Armee befand sich oben auf dem Hügel, und die Truppen, die hinter dem Hügelkamm lagerten, hatten ihre Quartiere rund um das Mönchskloster aufgeschlagen. Ihre Feuer boten ein wenig Licht, das durchs Dickicht des Waldes drang und Sharpes monströsen Schatten über die Stämme der Bäume tanzen ließ. Dieses schwache Licht verlosch jedoch, je höher Sharpe stieg. Auf dem Hügelkamm gab es keine Feuer, weil Wellington befohlen hatte, keine zu entzünden, damit ihr Schein den Franzosen nicht verraten konnte, wo sich die Armee der Alliierten konzentrierte, wenngleich Sharpe den Verdacht hegte, dass der Feind das längst erraten haben musste.
Das Fehlen von Lagerfeuern ließ den oberen Teil der Anhöhe stockfinster erscheinen. Der Nebel verdichtete sich. In der Ferne, hinter der Mauer, die das Mönchskloster und seinen Wald einschloss, konnte Sharpe ein Singen von den Lagern der Briten und Portugiesen vernehmen, doch das lauteste Geräusch verursachten seine eigenen Schritte auf den Fichtennadeln, die auf dem Pfad einen Teppich bildeten.
Die erste der geziegelten Kapellen kam in Sicht. Aus dem Inneren drang der Schein von Altarkerzen, der ein schwaches, verschwimmendes Licht durch den Kältenebel warf. Ein Mönch in schwarzer Robe kniete im Gebet bei der letzten Kapelle, und im Vorübergehen erwog Sharpe, dem Mann einen Gruß zu entbieten, entschied sich jedoch schließlich dagegen, die Andacht des Mannes zu stören. Dann
Weitere Kostenlose Bücher