Sharpes Flucht
Feuer haben, Sir?«, fragte Dodd.
»Letzte Nacht durften wir keine haben, Matthew, aber wer sollte die in diesem verdammten Nebel denn sehen? Und wie auch immer, ich brauche jetzt einen Tee, also machen Sie hin.« Er fügte sein Holz hinzu, dann lauschte er auf das Knistern und Zischen des frisch entflammten Feuers, derweil Dodd den Kessel mit Wasser füllte und eine Hand voll Teeblätter hineinstreute, die er lose in seinem Beutel aufbewahrte. Sharpe gab ein wenig von seinem eigenen Tee hinzu und legte Holz ins Feuer nach.
»Verdammt feuchter Morgen«, sagte Dodd.
»Verdammter Nebel.« Sharpe konnte erkennen, dass die Schwaden noch immer dicht waren.
»Ist bald Zeit zum Wecken«, sagte Dodd und hängte den Kessel über die Flammen.
»Es kann doch noch nicht mal halb drei sein«, sagte Sharpe. Hier und da zündeten weitere Männer den Hügelkamm entlang Feuer an, die leuchtende, verschwimmende Inseln im Nebel bildeten, aber die meisten Angehörigen des Heeres lagen noch im Schlaf. Sharpe hatte am östlichen Rand der Anhöhe Wachtposten aufgestellt, doch die brauchte er erst in ein paar Minuten abzulösen.
»Sergeant Harper hat erzählt, Sie seien ein paar Stufen hinuntergefallen, Sir«, sagte Dodd und betrachtete Sharpes malträtiertes Gesicht.
»Gefährliche Dinger, diese Stufen, Matthew. Besonders in der Nacht, wenn man leicht ausrutscht.«
»Sexton, bei mir zu Hause, ist das passiert«, erzählte Dodd. Der Feuerschein erhellte sein hageres Gesicht. »Er ist auf den Kirchturm gestiegen, um an der großen Glocke ein neues Seil zu befestigen, und dabei ist er ausgerutscht. Manche behaupten allerdings, er sei gestoßen worden, weil seine Frau sich in einen anderen Mann verguckt hatte.«
»In Sie, Matthew?«
»Mister Sharpe!«, rief Dodd schockiert. »Doch nicht in mich, auf keinen Fall!«
Der Tee war recht schnell gebrüht, und Sharpe schöpfte sich etwas davon in seine Blechtasse. Dann, nachdem er sich bei Dodd bedankt hatte, ging er über den Hügelkamm den Franzosen entgegen. Er stieg nicht den Hang hinab, sondern steuerte einen kleinen Vorsprung an, der in der Nähe der Straße emporragte. Der Vorsprung, der wie eine Bastion aus dem Kamm des Hügels hervorstand, erstreckte sich über hundert Schritte, ehe er in einer Kuppe endete, die von einem scharfkantigen Durcheinander von verstreuten Felsbrocken bedeckt war. Dort erwartete er, die Wachtposten zu finden. Er stampfte beim Gehen mit den Füßen, um die Wachmänner auf seine Gegenwart aufmerksam zu machen.
»Wer ist dort?« Der Ruf erfolgte zum rechten Zeitpunkt, aber Sharpe hatte auch nichts anderes erwartet, weil Sergeant Read hier Dienst tat.
»Captain Sharpe.«
»Parole, Captain?«, forderte Read.
»Einen Schluck heißen Tee, Sergeant, wenn Sie mich nicht erschießen«, antwortete Sharpe.
Read war ein Pedant, der sich streng an die Regeln hielt, aber selbst ein Methodist konnte dazu bewogen werden, eine fehlende Parole zu ignorieren, indem man ihm einen Tee anbot. »Das Passwort lautet Jessica, Sir«, teilte er Sharpe mit einem Tadel in der Stimme mit.
»Die Frau des Colonels, was? Mister Slingsby hat vergessen, es mir zu sagen.« Er gab Read den Teebecher. »Irgendwelche unschönen Vorkommnisse?«
»Nicht das kleinste, Sir. Nicht das kleinste.«
Ensign Iliffe, der offiziell den Befehl über die Wachtposten innehatte, aber angewiesen war, ohne Einwilligung seines Sergeants nichts zu unternehmen, kam herüber und starrte Sharpe an.
»Guten Morgen, Mister Iliffe«, sagte Sharpe.
»Sir«, stammelte der Junge, zu erschrocken, um in ein Gespräch einzustimmen.
»Ist alles ruhig?«
»Ich denke schon, Sir«, sagte Iliffe und starrte Sharpe ins Gesicht, nicht sicher, ob er die Verletzungen, die er im Zwielicht zu erkennen glaubte, für möglich halten sollte, und zu ängstlich, um zu fragen, was sie verursacht hatte.
Der östliche Hang versank in Nebel und Dunkelheit. Sharpe ging in die Hocke, zuckte vor dem Schmerz in seinen Rippen zusammen und lauschte. Er konnte hören, wie sich die Männer über ihm am Hang bewegten, das Scheppern eines Kessels, das Knistern kleiner Feuer, die neu angefacht wurden. Ein Pferd stampfte mit dem Huf auf den Boden, und irgendwo schrie ein Baby. Keines dieser Geräusche bereitete ihm Sorge. Er lauschte auf etwas aus der Tiefe, aber dort war alles still. »Vor dem Morgengrauen werden sie nicht kommen«, sagte er, wohl wissend, dass die Franzosen Licht brauchten, um den Hügel hinauf ihren Weg zu finden.
»Und
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