Sharpes Flucht
größten Teil des Weges über den Hang zurückzulegen, ehe die Briten und Portugiesen sie sehen konnten. Und wenn die Adler erst einmal auf der Kuppe waren, würde die ganze Angelegenheit nicht mehr lange dauern. Sieg zur Mittagsstunde, dachte er und stellte sich die Glocken vor, die in Paris läuten würden, um den Triumph der Adler zu verkünden. Er fragte sich, mit was für neuen Ehren man ihn bedenken würde. Er war bereits Prinz von Essling, aber bis heute Abend, so dachte er bei sich, mochte er sich ein Dutzend weiterer königlicher Titel verdient haben. Der Kaiser konnte in solchen Dingen sehr großzügig sein, und er erwartete große Taten von Masséna. Der Rest von Europa war befriedet, von Frankreichs Heeren zur Unterwerfung gezwungen, also hatte Napoleon Verstärkung nach Spanien geschickt und seine neue Armee von Portugal gebildet, die Masséna anvertraut worden war. Der Kaiser erwartete, dass Lissabon eingenommen war, ehe das Laub von den Bäumen fiel. Der Sieg, dachte Masséna, der Sieg zur Mittagsstunde, und dann würden Sie die Überreste der feindlichen Armee den ganzen Weg bis nach Lissabon verfolgen.
»Sind Sie sicher, dass sich dort hinter der Anhöhe ein Mönchskloster befindet?«, erkundigte er sich bei einem seiner portugiesischen Adjutanten, einem Mann, der für die Franzosen kämpfte, weil er der Ansicht war, sie stünden für Vernunft, Freiheit, Modernität und rationales Denken.
»Ja, dort ist eines, Sir.«
»Da werden wir heute Nacht schlafen«, sagte Masséna und wandte sein eines Auge einem anderen Adjutanten zu. »Halten Sie zwei Schwadronen bereit, um Mademoiselle Leberton aus Tondela hierher zu geleiten.« Nachdem er sich dieser essentiellen Tröstung versichert hatte, gab der Marschall seinem Pferd die Sporen und sprengte in den Nebel hinein. Kurz vor dem Fluss hielt er an und lauschte. Ein einzelner Kanonenschuss war im Süden zu vernehmen, das Signal, dass die Einheiten des ersten Angriffs unterwegs waren. Als das nachhallende Echo des Kanonenschusses verebbt war, konnte Masséna in der Ferne die Trommeln erklingen hören, zu denen sich die vier südlichen Kolonnen den Hang hinaufarbeiteten. Das war der Klang des Sieges. Der Klang der Adler, die in die Schlacht zogen.
Es hatte mehr als zwei Stunden gedauert, diese vier Kolonnen zu formieren. Die Männer waren noch im Dunkeln aus dem Schlaf gerissen worden, und erst eine Stunde später war das Wecksignal ertönt, um die Briten zum Narren zu halten: Sie sollten denken, die Franzosen hätten länger geschlafen, aber die Kolonnen waren, als die Hörner zum Wecken bliesen, schon längst dabei, sich zu formieren. Feldwebel mit lodernden Fackeln dienten als Führer, und die Männer formierten sich um sie, Kompanie für Kompanie, nur hatte das alles wesentlich länger gedauert als erwartet. Der Nebel verwirrte die gerade erst erwachten Männer. Offiziere erteilten Befehle, Feldwebel bellten und benutzten ihre Musketenläufe, um Männer in ihre Reihen zu zwingen. Ein paar Tölpel missverstanden die Befehle, schlossen sich der falschen Kolonne an und mussten wieder herausgezerrt und nach einer Standpauke an den richtigen Platz geschickt werden. Schließlich aber waren die dreiunddreißig Bataillone in ihren vier Angriffskolonnen auf den kleinen Wiesen neben dem Fluss aufgestellt.
Die vier Kolonnen umfassten achtzehntausend Männer. Wenn diese Männer in einer Linie mit drei Reihen aufmarschiert wären, wie die Franzosen für gewöhnlich ihre Linien formierten, hätten sie eine Strecke von zwei Meilen eingenommen, doch stattdessen waren sie in vier dichte Kolonnen geordnet worden. Die beiden größten führten den Angriff an, während die beiden kleineren folgten, bereit, sich zunutze zu machen, was immer die beiden ersten erreichten. Diese beiden breiteren Kolonnen hatten jeweils achtzig Männer in ihren vorderen Reihen, aber dahinter folgten achtzig weitere Reihen, und die großen Blöcke bildeten zwei Rammböcke – nahezu zwei Meilen Infanterie, zusammengeballt zu zwei beweglichen Quadraten, die gebildet worden waren, um gegen die Linie des Feindes zu prallen und sie durch ihr schieres Gewicht zu überwältigen.
»Dicht zusammenbleiben!«, brüllten die Feldwebel, als sie begannen, den Hang hinaufzusteigen. Eine Kolonne taugte nichts, wenn sie ihre Geschlossenheit verlor. Um zu funktionieren, musste sie sein wie eine Maschine, jeder Mann an seinem Platz, Schulter an Schulter, wobei die hinteren Reihen die vorderen in den Beschuss
Weitere Kostenlose Bücher