Sharpes Flucht
verdammten Bataillon haben, Lawford«, knurrte er.
Lawford, von der Stimme des Mannes überrascht, fuhr herum und salutierte hastig. »Sir!«
»Nun, Mann? Haben Sie irgendwelche verdammten Waliser?«
»Ich bin sicher, wir haben welche, Sir.«
»Sie sind gut«, sagte der Mann mit der Mütze. Mit seiner erloschenen Zigarre wies er auf die Linien. »Zu gut, um Engländer zu sein, Lawford. Vielleicht gibt es in Essex ja eine walisische Siedlung?«
»Ich bin sicher, es gibt eine, Sir.«
»Sie sind sich dessen verdammt noch mal überhaupt nicht sicher«, sagte der große Mann. Sein Name war Sir Thomas Picton, und er war der General, der das Kommando über diesen Abschnitt der Anhöhe innehatte. »Ich habe gesehen, was Sie gemacht haben, Lawford«, fuhr er fort, »und ich habe geglaubt, Sie haben Ihren verdammten Verstand verloren! Volle Wendung und Rechtsschwenk, was? Mitten in einer verdammten Schlacht. Der hat wohl eine weiche Birne, habe ich gedacht, aber Sie haben das gut gemacht, Mann, verdammt gut. Ich bin stolz auf Sie. Sie müssen walisisches Blut haben. Haben Sie irgendwelche frischen Zigarren bei sich, Lawford?«
»Nein, Sir.«
»Sie sind verdammt noch mal zu nicht viel zu gebrauchen, was?« Picton nickte kurz und ritt davon, gefolgt von seinen Adjutanten, deren Uniformen so tadellos in Ordnung waren, wie die Kleidung ihres Herrn zu wünschen übrig ließ. Lawford straffte sich, sah wieder nach den Franzosen und stellte fest, dass sie zusammenbrachen.
Major Leroy hatte den General gehört und kam jetzt zu Sharpe herübergeritten. »Wir haben Picton beeindruckt«, sagte er und zog seine Pistole. »So sehr beeindruckt, dass er meint, Lawford müsse walisisches Blut haben.«
Sharpe lachte.
Leroy zielte mit der Pistole und feuerte in die Überbleibsel der nächststehenden französischen Kolonne. »Als ich noch ein Jungspund war«, sagte Leroy, »habe ich Waschbären geschossen, Sharpe.«
Sharpe entdeckte in der Vierten Kompanie eine Muskete, die nicht mehr feuerte. Zersplitterter Feuerstein, vermutete er, zog einen neuen aus seiner Tasche und rief den Mann beim Namen. »Da, fangen Sie«, bellte er und warf den Feuerstein über die hintere Linie hinweg, ehe er sich wieder Leroy zuwandte. »Was ist denn ein Waschbär?«
»Ein verdammt nutzloses Tier, Sharpe, eines, das Gott in die Welt gesetzt hat, um einem Jungen das Zielen beizubringen. Warum weichen denn diese Bastarde nicht?«
»Sie werden schon weichen.«
»Und dabei könnten sie Ihre Kompanie mitnehmen«, sagte Leroy und wies mit dem Kopf nach dem Hang, als wolle er Sharpe raten, sich die Sache selbst anzusehen.
Sharpe ritt auf die Flanke der Linie und stellte fest, dass Slingsby die Kompanie den Hang hinunter und nach Norden geführt hatte. Dort standen sie in aufgelöster Ordnung und feuerten hügelaufwärts auf die französische Linksflanke, während eine Hand voll seiner Männer hügelabwärts schossen, um ein paar zerstreute, zögerliche Franzosen daran zu hindern, die Kolonne zu verstärken. Wollte Slingsby unbedingt den Helden spielen? Glaubte er etwa, die Kompanie könne der französischen Kolonne auf sich allein gestellt den Weg abschneiden? Augenblicklich begriff Sharpe, dass die Franzosen in die Knie gehen würden, und dann würden nahezu sechstausend Mann über den Kamm stürmen und den Hang hinabjagen, um dem Gemetzel zu entfliehen. Sie würden die Leichte Kompanie hinwegwischen wie ein Häufchen Häcksel. Und dieser Moment rückte sogar noch näher, als Sharpe vom hinteren Ende des Schlachtgetümmels her den Knall einer Kanone hörte. Es war eine Kartätsche, eine Blechhülse, die an der Mündung der Kanone auseinandersplitterte und seine Ladung aus gehackten Eisenteilen wie aus einem Geschütz des Teufels in alle Richtungen schleuderte. Sharpe hatte keine Minute mehr Zeit, ihm blieben nur Sekunden, also trieb er das Pferd den Hügel hinunter. »Zurück zur Linie!«, schrie er seine Männer an. »Zurück! Schnell!«
Slingsby warf ihm einen empörten Blick zu. »Wir halten sie auf«, protestierte er. »Wir können jetzt nicht zurück.«
Sharpe sprang vom Pferd und gab Slingsby die Zügel. »Zurück zum Bataillon, Slingsby, das ist ein Befehl. Jetzt!«
»Aber …«
»Gehen Sie!« Sharpe bellte wie ein Sergeant.
Widerstrebend stieg Slingsby in den Sattel, und Sharpe brüllte seine Männer an: »Zum Bataillon formieren!«
Und in diesem Augenblick brach der Widerstand der Franzosen zusammen.
Sie hatten länger durchgehalten, als
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