Sharpes Flucht
blutige Maske, seine Zähne waren zersplittert, seine Lippen waren zu Fetzen zerfranst, sein Brustkorb war zerdrückt, sein Unterleib war zerschlagen, und dennoch schaffte er es, aufrecht an der Wand des Lagerhauses stehen zu bleiben. Sein zerstörtes Gesicht flog blindlings von links nach rechts, dann traf ein Faustschlag ihn am Kiefer, und der Knochen brach mit hörbarem Krachen. Pires taumelte, stöhnte und stürzte endlich zu Boden.
»Heben Sie ihn auf«, befahl Ferragus und zog sich den Mantel und das Hemd aus.
Zwei Männer packten Pires unter den Armen und zerrten ihn in die Höhe. Ferragus trat vor ihn hin und schlug mit grausamer Intensität zu. Seine Fäuste flogen nicht weit, dies waren keine langen, ausholenden Schläge, sondern kurze, präzise Hiebe, die mit Übelkeit erregender Kraft auftrafen. Er bearbeitete den Bauch des Mannes, dann machte er mit dem Brustkorb weiter, ließ die Fäuste darauf trommeln, sodass Pires’ Kopf bei jedem Schlag hin und her schwang. Aus seinem blutigen Mund spritzten Tropfen geröteten Speichels auf Ferragus’ Brust. Er schlug weiter, bis der Kopf des Mannes zurück und dann auf die Seite fiel wie bei einer Marionette, der das Hauptseil gerissen war. Aus der zerschmetterten Kehle drang ein rasselnder Laut. Ferragus schlug ihn ein letztes Mal und trat zurück. »Bringen Sie ihn in den Keller«, befahl er. »Und schlitzen Sie ihm den Bauch auf.«
»Den Bauch aufschlitzen?«, fragte einer seiner Männer, der glaubte, er müsse sich verhört haben.
»Geben Sie den Ratten etwas zu tun«, erwiderte Ferragus. »Denn je eher sie ihn erledigt haben, desto eher ist er weg.« Er ging hinüber zu Miguel, der ihm einen Lappen reichte, mit dem er sich Blut und Speichel von der Brust und den Armen wischte, die mit Tätowierungen übersät waren. Auf beiden Unterarmen prangten von Ketten umschlungene Anker, auf seinem Brustkorb gab es drei Meerjungfrauen, und Schlangen schlängelten sich um seine mächtigen Oberarme. Auf seinem Rücken befand sich ein Kriegsschiff in vollen Segeln und am Heck eine britische Flagge. Er streifte das Hemd und den Mantel wieder über, dann sah er zu, wie die Leiche in den hinteren Teil des Lagerhauses geschleift wurde, wo eine Bodenklappe in den Keller führte. In dieser Dunkelheit faulte bereits eine Leiche mit aufgeschlitztem Bauch vor sich hin, die Überbleibsel eines Mannes, der versucht hatte, Ferragus’ gehortete Waren an die Behörden zu verraten. Nun hatte es ein weiterer versucht, war gescheitert und gestorben.
Ferragus schloss das Lagerhaus ab. Wenn die Franzosen nicht kamen, überlegte er, konnte er die Lebensmittel legal und mit Gewinn verkaufen, und wenn sie kamen, ließe sich damit sogar noch größerer Gewinn erzielen. In den nächsten paar Stunden würde sich das alles herausstellen. Er bekreuzigte sich, und dann machte er sich auf die Suche nach einer Taverne, denn er hatte einen Mann getötet und war durstig.
Niemand vom Bataillon kam herüber, um Sharpe Befehle zu erteilen, was ihm nur recht war. Er stand Wache auf dem felsigen Vorsprung, wo seiner Schätzung nach etwa hundert französische Infanteristen ihre Köpfe duckten, um seinem unentwegten Beschuss zu entgehen. Er wünschte, er hätte genug Männer zur Verfügung, um die Voltigeure von dem Hügel zu vertreiben, denn ihre Gegenwart war wie eine Einladung an den Feind, den Aufstieg auf den Gipfel erneut zu wagen. Sie konnten ein paar Bataillone hoch zu der Felsnase schicken und diese dann benutzen, um entlang des Vorsprungs anzugreifen. Und zu solchem Vorgehen wurden sie womöglich durch die neuen französischen Einheiten, die sich eine Meile weiter nördlich befanden, noch ermutigt.
Sharpe ging einen schmalen Pfad am Vorsprung entlang und wagte sich offenbar zu weit vor, denn zwei Musketengeschosse sausten an ihm vorbei, als er in die Hocke ging und sein Fernglas hervorholte. Er ignorierte die Voltigeure, wohl wissend, dass sie sich außerhalb der Reichweite befanden, in der man mit einer Muskete noch akkurat zielen konnte, und starrte stattdessen auf die riesigen französischen Kolonnen, die die bessere Straße hinaufstiegen, die sich bis zu dem Dorf knapp unterhalb des nördlichen Hügelkamms in die Höhe schlängelte. Eine steinerne Windmühle, der man die Flügel entfernt hatte und deren Apparatur wie bei jeder anderen Mühle im portugiesischen Binnenland zerlegt worden war, stand nahe beim Kamm selbst, und neben dem gedrungenen Turm wartete eine Gruppe von Reitern, aber
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