Sharpes Flucht
östlichen Kante. »Gewehre runter!«, brüllte Sharpe ihnen zu, aber keiner von ihnen verstand Englisch, und so drehten sie sich stattdessen mit erhobenen Bajonetten um. Sharpe stieß mit seinem schweren Degen eine Muskete beiseite, senkte ihn dann einem Mann in den Bauch und drehte den Stahl, damit das Fleisch nicht an der Klinge haften blieb, dann zog er die Waffe zurück, sodass das Blut auf die Steine spritzte. Er glitt auf dem Blut aus, hörte den Knall einer Muskete, schwang den Degen nach einem anderen Franzosen, und dann war Vicente zur Stelle und drang mit seinem eigenen mächtigen Degen auf einen Feldwebel ein. Sharpe rappelte sich auf, sah an der Felskante einen Franzosen stehen und schlug mit dem Degen nach dem Rücken des Mannes, dass es aussah, als springe dieser von einem Kliff. Einen Herzschlag lang herrschte Stille, nachdem der Mann verschwunden war, dann drang von tief unten ein Geräusch nach oben, als sei ein Müllsack von einem hohen Dach auf einen Stein geplumpst.
Und dann herrschte wiederum Stille, gesegnete Stille, abgesehen von dem hämmernden Lärm der Geschütze im Norden. Die Franzosen waren von dem Vorsprung verschwunden. Sie rannten den Abhang hinunter, verfolgt vom Feuer der Schützen, und Vicentes Portugiesen brachen in Jubel aus.
»Sergeant Harper!«, rief Sharpe.
»Sir?« Harper war dabei, die Kleider eines toten Mannes zu durchsuchen.
»Tote und Verwundete zählen«, befahl Sharpe. Er wischte seinen Degen an einem blauen Rock ab, dann schob er ihn zurück in die Scheide. Eine französische Granate explodierte ohne jede Wirkung unterhalb der Steine, auf denen Sharpe saß. Er fühlte sich plötzlich müde, und die halbe Wurst in seinem Beutel fiel ihm ein. Er aß sie, dann drückte er seinen von der Kugel durchlöcherten Tschako irgendwie wieder in Form und setzte ihn auf. Es war merkwürdig, dachte er, in den vergangenen Minuten hatte er seine verletzten Rippen kaum bemerkt, jetzt hingegen durchfuhr ihn der Schmerz.
Zu seinen Füßen lag ein toter Voltigeur, und die Leiche trug noch einen der altmodischen kurzen Säbel, wie einst alle französischen Plänkler sie zu tragen pflegten. Davon waren sie jedoch abgekommen, weil die Klingen zu nichts anderem als zur Getreideernte taugten. Der Mann wirkte merkwürdig friedlich, und an seinem Körper war keinerlei Verletzung sichtbar. Sharpe fragte sich, ob er den Tod vielleicht nur vortäuschte, und trat ihn mit dem Fuß. Der Mann reagierte nicht. Eine Fliege kroch über den Augapfel des Voltigeurs, und Sharpe kam zu dem Schluss, dass der Mann tot sein musste.
Harper bahnte sich durch die Felsen seinen Weg zurück. »Mister Iliffe, Sir«, sagte er.
»Was ist mit ihm?«
»Er ist tot, Sir«, sagte Harper. »Von den anderen hat keiner auch nur einen Kratzer davongetragen.«
»Iliffe? Tot?« Aus irgendeinem Grund ergab das für Sharpe keinen Sinn.
»Er hat sicher überhaupt nichts gespürt, Sir.« Harper tippte sich an die Stirn. »Ging geradewegs rein.«
Sharpe fluchte. Bis heute hatte er Iliffe nicht gemocht, aber in der Schlacht hatte der Junge Mut bewiesen. Er hatte sich zu Tode gefürchtet, so sehr gefürchtet, dass er sich beim Gedanken an den Kampf übergeben musste, aber sobald die Kugeln zu fliegen begannen, hatte er seine Angst überwunden, und dafür verdiente er Bewunderung.
Sharpe ging hinüber zu der Leiche, nahm seinen Hut ab und sah auf Iliffe hinunter, der ein wenig überrascht wirkte. »Aus ihm wäre ein guter Soldat geworden«, sagte Sharpe, und die Männer der Leichten Kompanie murmelten ihre Zustimmung.
Sergeant Read wählte vier Männer aus, die Iliffes Leiche zum Bataillon zurücktrugen. Lawford wird alles andere als erfreut sein, dachte Sharpe, und dann fragte er sich, warum zum Teufel es nicht Slingsby sein konnte, der eine Kugel in die Stirn bekommen hatte. Das wäre eine hübsche Morgenarbeit für einen Voltigeur gewesen, fand Sharpe und fragte sich, warum zum Teufel seine eigene Kugel den Mann verfehlt hatte.
Er blickte hinauf in die Sonne und stellte fest, dass der Vormittag noch nicht vorüber war. Er fühlte sich, als hätte er den ganzen Tag lang gekämpft, aber daheim in England würden manche Leute noch nicht einmal mit dem Frühstück fertig sein.
Um Iliffe ist es schade, dachte er, dann trank er ein wenig Wasser, lauschte den Geschützen und wartete.
»Jetzt!«, brüllte General Craufurd, und die beiden Bataillone erhoben sich, wodurch sie auf die Franzosen wirkten, als wären sie geradewegs
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