Sharpes Flucht
blockiert, Wolken hatten den Mond verhüllt, und mindestens zweimal waren sie falsch abgebogen und hatten dadurch so viel Zeit verloren, dass Lawford den Männern befahl, sich auf den Weiden schlafen zu legen, bis das Morgengrauen ihnen ein wenig Licht verschaffte, sodass sie ihren Weg finden konnten.
Major Forrest glitt aus dem Sattel und sah Sharpe angewidert an. »Erzählen Sie mir nicht, Sie und Leroy sind geradewegs hierher geritten?«
»Das sind wir, Sir. Und haben uns in der Nacht gründlich ausgeschlafen.«
»Was für ein abscheulicher Kerl Sie sind, Sharpe.«
»Ich kann mir nicht erklären, wie Sie sich verlaufen haben«, sagte Sharpe. »Die Straße verlief doch hübsch gerade. Wer hat Sie angeführt?«
»Sie wissen doch, wer uns angeführt hat, Sharpe«, erwiderte Forrest, dann wandte er seinen Blick den großen Stapeln von Lebensmitteln zu. »Wie vernichten wir denn diesen Haufen?«
»Wir schießen in die Rumfässer«, schlug Sharpe vor. »Und das Mehl und Getreide werfen wir in den Fluss.«
»Sie haben das alles schon durchdacht, was?«
»Das kann ein Mann eben schaffen, wenn er gut ausgeschlafen ist, Sir.«
»Der Teufel soll Sie holen.«
Der Colonel hätte seinem Bataillon von Herzen gern etwas Ruhe gegönnt, aber die portugiesischen Truppen in ihren braunen Röcken begannen bereits mit der Arbeit, und es war undenkbar, dass das South Essex Regiment schlappmachte, während andere schufteten. Also befahl er allen Kompanien, mit den Stapeln anzufangen. »Sie können Männer zum Teemachen schicken«, schlug er seinen Offizieren vor. »Aber frühstücken müssen sie bei der Arbeit. Guten Morgen, Mister Sharpe.«
»Guten Morgen, Sir.«
»Ich hoffe, Sie hatten inzwischen Zeit, über Ihr Dilemma nachzudenken«, sagte Lawford, und es kostete ihn einiges an Mut, dies auszusprechen, weil er damit erneut an die unglückselige Angelegenheit rührte. Dem Colonel wäre wesentlich wohler in seiner Haut gewesen, wenn Sharpe sich einfach zu einer Entschuldigung bereit erklärt und damit die Sache aus der Welt geschafft hätte.
»Das habe ich, Sir«, erwiderte Sharpe überraschend einsichtig.
»Gut!« Lawfords Gesicht hellte sich auf. »Und?«
»Das Fleisch ist das Problem, Sir.«
Verständnislos starrte Lawford ihn an. »Das Fleisch?«
»In die Rumfässer können wir schießen«, erwiderte Sharpe gut gelaunt. »Wir können das Getreide und das Mehl in den Fluss werfen, aber das Fleisch? Verbrennen lässt es sich nicht.« Er wandte sich ab und betrachtete die riesigen Fässer. »Wenn Sie mir ein paar Männer zur Verfügung stellen, versuche ich, etwas Terpentin aufzutreiben. Um das Zeug darin zu tränken. Nicht einmal die Franzmänner würden Fleisch essen, das in Terpentin schwimmt. Oder wir könnten es vielleicht in Farbe einlegen?«
»Das ist Ihr Problem«, entgegnete Lawford eisig. »Ich hingegen habe mich um die Angelegenheiten des Bataillons zu kümmern. Haben Sie ein Quartier für mich?«
»Die Taverne an der Ecke, Sir.« Sharpe zeigte sie ihm. »Es ist alles markiert.«
»Dann kümmere ich mich jetzt um den Papierkram«, bemerkte Lawford von oben herab, was bedeutete, dass er sich eine Stunde aufs Ohr legen wollte. Er nickte Sharpe kurz zu, rief seine Adjutanten zu sich und machte sich auf den Weg in sein Quartier.
Sharpe grinste und schritt die riesigen Stapel ab. Männer waren damit beschäftigt, Getreidesäcke aufzuschlitzen und die Deckel der Fleischfässer aufzuhebeln. Die Portugiesen arbeiteten mit größerem Eifer, aber sie hatten die Stadt ja auch in der Nacht erreicht und es somit geschafft, wenigstens ein paar Stunden zu schlafen. Andere portugiesische Soldaten waren in die engen Gassen entsandt worden, um den verbliebenen Bewohnern die Flucht zu befehlen. Sharpe konnte hören, wie Frauen protestierend ihre Stimmen hoben. Es war noch früh. Ein leichter Nebel hielt sich über dem Fluss, aber der Westwind war auf Süd umgeschlagen, und es versprach, ein weiterer heißer Tag zu werden. Das scharfe Krachen von Schüssen ertönte, erschreckte Vögel im Flug, und Sharpe sah, dass die Portugiesen auf die Rumfässer schossen. Nicht weit von ihm hieb Patrick Harper mit einer Axt, die er irgendwo stibitzt hatte, in die Fässer. »Warum schießen Sie denn nicht darauf, Pat?«, fragte Sharpe.
»Mister Slingsby erlaubt es uns nicht, Sir.«
»Er erlaubt es Ihnen nicht?«
Harper hieb die Axt in ein weiteres Fass, und eine Flut von Rum ergoss sich über die Pflastersteine. »Er sagt, wir müssen
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