Sharpes Flucht
ein.
»Eine Laterne, Sir. Irgendwo muss eine sein.«
»Und wir brauchen einen Stall für zwei Pferde.«
»Hinter dem Haus, Sir. Da sind sie sicher.«
Als die Pferde im Stall standen und Leroy mit der Laterne ausgerüstet war, arbeiteten sie sich durch die Straßen vor und markierten die Türen mit Kreide. SE, schrieb Sharpe, das bedeutete South Essex, und 4–6, was bedeutete, dass sechs Männer der vierten Kompanie in dem entsprechenden Haus einquartiert werden würden. Sie benutzten die schmalen Gassen in der Nähe der Brücke über den Mondego, und nach einer halben Stunde trafen sie auf zwei portugiesische Offiziere, die für ihr Bataillon Türen mit Kreide markierten. Als die Arbeit getan war, war noch keines der beiden Bataillone eingetroffen, also suchten sich Sharpe und Leroy eine Taverne am Kai, aus der noch Licht auf die Straße schien, und bestellten sich Wein, Brandy und etwas zu essen. Sie aßen gesalzenen Kabeljau, und gerade als dieser ihnen serviert wurde, vernahmen sie draußen auf der Straße das Geräusch von Stiefeltritten. Leroy beugte sich vor, zog die Tür der Taverne auf und spähte nach draußen. »Portugiesen«, bemerkte er lakonisch.
»Sie haben uns also geschlagen«, bemerkte Sharpe. »Das wird den Colonel gar nicht freuen.«
»Der Colonel dürfte deswegen ein höchst ungehaltener Mann sein«, sagte Leroy und wollte die Tür gerade schließen, als er die Inschrift sah, die mit Kreide auf das Holz geschrieben worden war: SE, CO, ADJ, LCO, stand dort, und der Amerikaner grinste. »Sie wollen Lawford und die Offiziere der Leichten Kompanie hier unterbringen, Sharpe?«
»Ich dachte, der Colonel würde gern zusammen mit seinem Verwandten wohnen, Sir. Ich fand, das sei nett.«
»Oder haben Sie etwa vor, Mister Slingsby in Versuchung zu führen?«
Sharpe wirkte schockiert. »Großer Gott«, sagte er, »daran habe ich nie und nimmer gedacht.«
»Sie verlogener Bastard«, sagte Leroy und schloss die Tür. Er lachte. »Ich glaube, ich hätte Sie nicht allzu gern zum Feind.«
Sie schliefen im Schankraum, und als Sharpe im Morgengrauen erwachte, war das South Essex Regiment noch immer nicht in der Stadt eingetroffen. Eine traurige Prozession von Wagen, alle beladen mit Männern, die am Hang von Bussaco verwundet worden waren, überquerte die Brücke, und Sharpe, der unterwegs zum Kai war, sah, dass die Wagen an den Seiten mit Blut befleckt waren. Er musste warten, ehe er hinüber zum Flussufer gehen konnte, denn dem Zug der Verwundeten folgte ein schneller Reisewagen, der von vier Pferden gezogen wurde und mit Gepäck beladen war. In seinem Gefolge befand sich ein Wagen, auf dem sich noch mehr Gepäck häufte und auf dem sich ein halbes Dutzend unglücklich dreinschauender Dienstboten drängte. Beide Wagen wurden von bewaffneten, berittenen Zivilisten begleitet. Als sie vorbeigefahren waren, ging Sharpe hinüber zu den riesigen Haufen von Armeevorräten, die nach Coimbra geschafft worden waren. Da gab es säckeweise Getreide, Fässer mit eingesalzenem Rindfleisch, Fässer mit Rum und Kisten mit Zwieback, die alle von den Flussschiffen heruntergeholt worden waren, die am Kai vertäut lagen. Jedes der Boote trug an seinem Bug unter dem Namen des Besitzers und der Stadt eine aufgemalte Nummer. Die portugiesischen Behörden hatten angeordnet, dass die Boote nummeriert und beschriftet und anschließend nach Städten aufgelistet wurden, sodass man sicherstellen konnte, dass sämtliche Transportmittel zerstört waren, ehe die Franzosen eintrafen. Auf einem halben Dutzend der größeren Schiffe stand der Name Ferreira, was, so vermutete Sharpe, wohl bedeutete, dass die Fuhrwerke Ferragus gehörten. Die Boote befanden sich sämtlich unter Bewachung von Rotröcken, von denen einer, sobald er Sharpe entdeckte, seine Muskete von der Schulter nahm und am Kai entlang auf ihn zukam. »Stimmt es, dass wir uns zurückziehen, Sir?«
»Das tun wir.«
»Zum Teufel noch mal.« Der Mann betrachtete die gewaltigen Berge von Vorräten. »Was soll mit diesen Haufen passieren?«
»Wir müssen sie vernichten. Und diese Boote auch.«
»Zum Teufel noch mal«, wiederholte der Mann, dann sah er zu, wie Sharpe Dutzende von Kisten mit Zwieback und Fässer mit Rindfleisch als Verpflegung für das South Essex Regiment markierte.
Zwei Stunden später traf das Bataillon ein. Wie Leroy vorausgesagt hatte, waren die Männer gereizt, ausgehungert und erschöpft. Der Marsch war ein Albtraum gewesen, Wagen hatten die Straße
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