Sharpes Flucht
schützen.
Sharpe sah, dass Rogers-Jones Vicente zunickte. »Sie haben Ihr Quartier in zwanzig Minuten, Sir«, sagte er zu Lawford, dann packte er Harper beim Ellbogen, und zusammen verließen sie in Vicentes Gefolge den Kai. »Dieser Bastard Slingsby«, murmelte Sharpe, während sie gingen. »Dieser Bastard, Bastard, Bastard, Bastard.«
»Ich sollte das besser nicht hören«, sagte Harper.
»Dem Bastard ziehe ich bei lebendigem Leibe die Haut ab«, sagte Sharpe.
»Wem?«, fragte Vicente, der sie durch die engen Gassen führte, wo sie gezwungen waren, Gruppen von unglücklichen Menschen auszuweichen, die sich letzten Endes doch darauf vorbereiteten, ihre Stadt zu verlassen. Männer und Frauen schnürten Kleider zu Bündeln, luden sich Kleinkinder auf die Rücken und beklagten sich bitterlich bei jedem Mann in Uniform, der ihnen in den Weg kam.
»Einem Bastard namens Slingsby«, sagte Sharpe. »Aber um den kümmern wir uns später. Was wissen Sie über Ferragus?«
»Ich weiß, dass sich die meisten Leute vor ihm fürchten«, antwortete Vicente und führte sie über einen kleinen Platz mit einer Kirche, deren Tür offen stand. Ein Dutzend Frauen mit schwarzen Kopftüchern knieten unter dem Vordach und blickten sich angsterfüllt um, als aus einer der nahen Seitenstraßen plötzlich Rumpeln, Hämmern und Krachen laut wurde. Es war der Lärm einer Artilleriebatterie, die sich bergab auf die Brücke zubewegte. Die Armee musste lange vor dem Morgengrauen losmarschiert sein, und jetzt hatten die führenden Truppen Coimbra erreicht. »Er ist ein Verbrecher«, fuhr Vicente fort, »aber er ist nicht bei armen Leuten aufgewachsen. Sein Vater war ein Kollege meines Vaters, und sogar er hat zugegeben, dass sein Sohn ein Monster ist. Der Missratene im Wurf. Sie haben versucht, das Böse aus ihm herauszuprügeln. Sein Vater hat es versucht, die Priester haben es versucht, aber Luis ist ein Kind des Teufels.« Vicente bekreuzigte sich. »Und nur wenige wagen es, sich ihm entgegenzustellen. Das hier ist eine Universitätsstadt.«
»Dein Vater unterrichtet hier, oder?«
»Er lehrt Rechtskunde«, antwortete Vicente. »Aber er ist jetzt nicht hier. Er und meine Mutter sind nordwärts nach Oporto gezogen, um bei Kate zu wohnen. Aber Leute wie mein Vater wissen nicht, wie man mit einem Mann wie Ferragus umgeht.«
»Weil dein Vater ein Rechtsanwalt ist«, erwiderte Sharpe. »Für Bastarde wie Ferragus braucht es einen wie mich.«
»Er hat dir das Auge blau geschlagen«, hielt Vicente dagegen.
»Ich habe ihm Schlimmeres angetan«, sagte Sharpe und erinnerte sich, was es für ein Vergnügen bereitet hatte, Ferragus in die Eier zu treten. »Und der Colonel will ein Haus, also machen wir das Haus der Familie Ferreira ausfindig und geben es ihm.«
»Ich glaube nicht, dass es klug ist«, sagte Vicente, »private Rache und den Krieg zu vermischen.«
»Natürlich ist das nicht klug«, konterte Sharpe, »aber es macht verdammt noch mal Spaß. Haben Sie auch Spaß, Sergeant?«
»Mir ging’s nie besser, Sir«, erwiderte Harper finster.
Sie waren mittlerweile in die Oberstadt hinaufgestiegen, wo sie auf einen kleinen, von der Sonne beschienenen Platz hinaustraten. An seiner hinteren Seite befand sich ein aus hellem Stein gemauertes Haus mit einer prachtvollen Vordertür, einem Seiteneingang, der offensichtlich in einen Hof mit Stallungen führte, und drei Stockwerken voller verschlossener Fenster. Das Haus war alt, in seinen Stein waren heraldische Vögel eingemeißelt. »Das ist Pedro Ferreiras Haus«, sagte Vicente und sah zu, wie Sharpe die Treppe zum Eingang hinaufstieg. »Von Ferragus wird behauptet, dass er zahlreiche Menschen ermordet hat«, sagte Vicente unglücklich in einem letzten Versuch, Sharpe von seinem Vorhaben abzubringen.
»Das habe ich auch«, sagte Sharpe und hämmerte gegen die Tür, was er unentwegt fortsetzte, bis eine erschrocken wirkende Frau in einer Schürze ihm öffnete. Ein empörter portugiesischer Wortschwall ergoss sich über Sharpe. Hinter ihr war ein jüngerer Mann zu erkennen, doch der zog sich in die Schatten zurück, sobald er Sharpes ansichtig wurde, während die Frau, die grauhaarig und korpulent war, versuchte, den Schützen die Stufen hinunterzustoßen. Sharpe blieb, wo er war. »Frag sie, wo Luis Ferreira wohnt«, forderte er Vicente auf.
Ein kurzes Gespräch folgte. »Sie sagt, Senhor Luis wohnt im Augenblick hier«, sagte Vicente. »Aber er ist im Moment nicht zu Hause.«
»Er wohnt
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