Sharpes Gefecht
voller Leichen, und Verwundete schrien die ganze Nacht um Hilfe. Hinter der Kirche, wohin man die Glücklicheren evakuiert hatte, suchten Frauen nach ihren Ehemännern, Brüder nach Brüdern und Freunde nach Freunden. Bestattungstrupps suchten nach geeigneten Stellen, um Gräber auszuheben, und Offiziere versteigerten die Besitztümer der Toten an ihre Kameraden und fragten sich, wann wohl ihre eigenen Sachen für ein paar Pence weggehen würden. Oben auf dem Plateau kochten die Soldaten frisch geschlachtetes Rindfleisch in ihren Kesseln und sangen sentimentale Lieder über die grünen Wälder und schönen Mädchen ihrer Heimat.
Die beiden Armeen schliefen mit geladenen Waffen, und Wachtposten starrten in die Dunkelheit, während die Geschützrohre auskühlten. Ratten huschten durch die Trümmer von Fuentes de Oñoro und nagten an den Toten. Nur wenige der Lebenden schliefen gut. Die britischen Footguards waren vom Methodismus infiziert, und einige der Gardisten versammelten sich zu einem Mitternachtsgebet, bis ein Offizier der Coldstream Guards sie anknurrte, sie sollten verdammt noch Mal Ruhe geben. Andere schlichen durch die Dunkelheit, um die Toten und Verwundeten zu plündern. Dann und wann schrie ein Verwundeter protestierend, und ein Bajonett blitzte im Sternenlicht auf, und Blut sickerte in den Boden, während der Besitzer des Bajonetts die Taschen des frisch Verstorbenen durchwühlte.
Major Tarrant hatte inzwischen ebenfalls von der Untersuchungskommission gehört, vor der Sharpe sich würde verantworten müssen. Das war auch kaum zu vermeiden gewesen, denn ständig kamen Offiziere ins Munitionslager, drückten Sharpe ihr Beileid aus und erklärten, eine Armee, die einen Mann dafür anklagte, dass er den Feind tötete, müsse von Idioten geführt sein. Tarrant verstand Wellingtons Entscheidung ebenfalls nicht. »Diese beiden Männer haben den Tod doch sicherlich verdient, oder? Ja, natürlich, man hat sie nicht vor ein ordentliches Gericht gestellt, aber zweifelt denn jemand ernsthaft an ihrer Schuld?« Captain Donaju, der mit Sharpe und Tarrant zu Abend aß, nickte zustimmend.
»Es geht nicht nur um zwei Tote, Sir«, sagte Sharpe, »sondern um Politik. Ich habe den Spaniern einen Grund gegeben, uns zu misstrauen.«
»Es sind doch keine Spanier gestorben!«, protestierte Tarrant.
»Aye, Sir, aber viele brave Portugiesen, und deshalb wird General Valverde nicht müde zu erklären, dass man uns keine fremden Truppen anvertrauen dürfe.«
»Das ist schlecht«, sagte Tarrant müde. »Und was geschieht jetzt mit Ihnen?«
Sharpe zuckte mit den Schultern. »Eine Untersuchungskommission wird einberufen. Man wird mir die Schuld in die Schuhe schieben, und das heißt Kriegsgericht. Das Schlimmste, was sie mir antun können, Sir, ist, mir das Offizierspatent zu nehmen.«
Captain Donaju runzelte die Stirn. »Meinen Sie, ich sollte mal mit General Valverde reden?«
Sharpe schüttelte den Kopf. »Damit würden Sie nur Ihre eigene Karriere ruinieren. Vielen Dank, aber nein. Worum es hier wirklich geht«, erklärte er, »ist die Frage, wer Generalissimus von Spanien wird. Wir wollen die alte Hakennase, aber Valverde sieht das anders.«
»Ohne Zweifel will er diesen Posten selbst haben«, knurrte Tarrant verächtlich. »Das ist wirklich eine Schande, Sharpe, eine Schande!« Der Schotte verzog das Gesicht und starrte auf die Leber und die Nieren, die Gog und Magog ihm zum Abendessen gebraten hatten. Traditionell erhielten die Offiziere die Eingeweide eines frisch geschlachteten Tiers, ein Privileg, das Tarrant nur allzu gern abgeschafft hätte. Er warf ein besonders ekliges Stück Niere einem der vielen Hunde zu, die der Armee hinterherliefen, und schüttelte dann den Kopf. »Besteht denn wirklich gar keine Möglichkeit mehr, dass Sie dieser lächerlichen Untersuchungskommission entgehen?«, fragte er Sharpe.
Sharpe dachte an Hogans sarkastische Bemerkung, dass seine einzige Hoffnung in einem französischen Sieg liege, denn danach würde sich niemand mehr an San Isidro erinnern. Das war natürlich eine eher fragwürdige Lösung, doch es gab da noch eine andere Hoffnung – eine kleine Hoffnung zwar, doch Sharpe dachte schon den ganzen Tag darüber nach.
»Reden Sie nur«, forderte Tarrant Sharpe auf. Ihm war das Zögern des Rifleman nicht entgangen.
Sharpe verzog das Gesicht. »Die alte Hakennase hat auch früher schon Männer für besondere Tapferkeit in der Schlacht begnadigt. Es gab da mal einen Kerl im 83rd,
Weitere Kostenlose Bücher