Sharpes Gefecht
Nave de Haver, und es lag gut fünf Meilen von Fuentes de Oñoro entfernt. »Will Wellington uns auf den Arm nehmen?«, fragte Masséna einen seiner Adjutanten.
Der Adjutant konnte genauso wenig glauben, was er da sah, wie sein Herr. »Vielleicht meint er ja, um uns zu schlagen, müsse er sich nicht an die Regeln halten«, sagte er.
»Dann werden wir ihm morgen früh eine Lektion in Kriegskunst erteilen. Ich hatte mehr von diesem Engländer erwartet. Morgen Nacht, Jean, werden seine Huren uns gehören. Hat Wellington eigentlich Huren?«
»Ich weiß nicht, Euer Majestät.«
»Dann finden Sie es heraus. Und sorgen Sie dafür, dass ich mir zuerst welche aussuchen kann, bevor irgendein dreckiger Grenadier sie mit dem Tripper ansteckt. Verstanden?«
»Jawohl, Euer Majestät«, sagte der Adjutant. Die Leidenschaft seines Herrn für Frauen war genauso ermüdend, wie seine Gier nach Erfolg die Menschen inspirierte. Und morgen, so schien es, würde Masséna sowohl die eine als auch die andere Leidenschaft befriedigen können.
Gegen Mitte des Nachmittags war offensichtlich, dass die Franzosen an diesem Tag nicht mehr kommen würden. Die Wachen wurden verdoppelt, und jedes Bataillon hielt mindestens drei Kompanien in Bereitschaft, doch die restlichen Kompanien hatten Zeit, sich alltäglicheren Pflichten zu widmen. Vieh wurde auf das Plateau getrieben und fürs Abendessen geschlachtet. Brot wurde aus Vilar Formoso geholt und Rum verteilt.
Captain Donaju erhielt Tarrants Erlaubnis, mit zwanzig Mann an der Beisetzung von Lord Kiely teilzunehmen, die vier Meilen hinter Fuentes de Oñoro stattfand. Hogan bestand darauf, dass Sharpe ebenfalls daran teilnahm, und Harper wollte auch mitkommen. Sharpe fühlte sich in Hogans Gesellschaft unwohl, zumal Sharpes Verbitterung ob der Untersuchungskommission den irischen Major nicht im Mindesten zu kümmern schien.
»Ich habe auch Runciman eingeladen«, sagte Hogan zu Sharpe, als sie gemeinsam über die staubige Straße westlich von Vilar Formoso gingen, »aber er wollte nicht. Der arme Kerl.«
»Es hat ihn wirklich schwer getroffen, nicht wahr?«, erkundigte sich Sharpe.
»Es hat ihm das Herz gebrochen«, antwortete Hogan gefühllos. »Er erklärt immer wieder, dass es nicht seine Schuld gewesen sei. Er scheint einfach nicht zu verstehen, dass es gar nicht darum geht.«
»Ja, genau«, sagte Sharpe. »Es geht schlicht und ergreifend darum, dass Sie den verdammten Valverde glücklich machen wollen.«
Hogan schüttelte den Kopf. »Am liebsten würde ich Valverde begraben, vorzugsweise lebend, aber was ich wirklich will, ist, dass Wellington zum Generalissimus ernannt wird.«
»Und dafür werden Sie auch mich opfern?«
»Natürlich! Jeder Soldat weiß, dass man gute Männer opfern muss, wenn man einen großen Sieg erringen will. Außerdem, was macht es schon aus, wenn Sie Ihr Offizierspatent verlieren? Dann schließen Sie sich eben Teresa an und werden ein berühmter Guerillero: El Fusilero!« Hogan lächelte fröhlich und drehte sich dann zu Harper um. »Sergeant? Würden Sie mir den Gefallen tun und mich kurz mit Captain Sharpe allein lassen?«
Gehorsam ging Harper voraus. Zwar versuchte er, das Gespräch der beiden Offiziere zu belauschen, doch Hogan sprach leise, und Sharpes überraschte Zwischenrufe verrieten ihm auch nichts. Auch hatte er keine Gelegenheit, Sharpe nach dem Gespräch zu fragen, bevor sie um eine Ecke bogen und Lord Kielys Diener und Captain Donajus zwanzig Mann sahen, die verlegen neben einem Grab standen, das vor Kurzem in dem Obsthain neben dem Kirchhof ausgehoben worden war. Vater Sarsfield hatte die Totengräber des Dorfes bestochen, damit sie das Grab so nah wie möglich an der geweihten Erde aushoben, obwohl die Gesetze der Kirche befahlen, dass Kiely für seine Sünde so weit weg wie möglich verscharrt werden musste. Doch Sarsfield wollte dafür sorgen, dass die Seele des irischen Peers am Tag des Jüngsten Gerichts zumindest nicht ganz auf christliche Gesellschaft verzichten musste.
Man hatte den Leichnam in eine schmutzige weiße Zeltbahn genäht. Vier Männer der Real Compañía Irlandesa ließen den Toten in das tiefe Grab hinab. Dann nahmen Hogan, Sharpe und Harper ihre Hüte ab, während Vater Sarsfield ein lateinisches Gebet sprach und sich dann auf Englisch an die zwanzig Gardisten wandte. Lord Kiely, sagte der Priester, habe unter der Sünde des Stolzes gelitten, und dieser Stolz habe es ihm unmöglich gemacht, Enttäuschungen zu ertragen.
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