Sharpes Gefecht
Jonas von seinen Kameraden ins Meer geworfen worden war.
»Loup?«, rief Sharpe. »Zur Hölle mit Ihnen! Pat? Feuer!«
Harper war wieder zu dem Lüftungsloch über der Tür hinaufgeklettert und schoss mit seinem Salvengewehr auf das Dach der Nachbarbaracke. Donajus Männer lebten ebenfalls noch und kämpften, und jetzt fingen auch Loups Wölfe wieder damit an. Eine Musketensalve schlug in die Wand um Harpers Guckloch. Eine der Kugeln kam sogar durch und traf Harpers Gewehrkolben. Er fluchte, denn der Schlag schmerzte. Dann schoss er mit dem Gewehr auf das gegenüberliegende Dach.
Schnelle Schritte auf dem Dach kündigten einen weiteren Angriff an. Die Männer unter dem Loch feuerten nach oben, doch dann flogen auch Kugeln von oben nach unten. Loup hatte so viele Männer wie möglich auf das Dach geschickt, und nun waren die Angreifer in der Lage, dem heftigen Abwehrfeuer etwas entgegenzusetzen. Die Gardisten der Real Compañía Irlandesa wichen vor den Salven zurück.
»Die Bastarde sind überall!«, sagte Harper und duckte sich dann unwillkürlich, als direkt über seinem Kopf etwas krachte. Die Franzosen versuchten nun, unmittelbar über Harpers Guckloch durchzubrechen. Frauen schrien und bedeckten ihre Augen. Ein Kind blutete von einem Querschläger.
Der Kampf, das wusste Sharpe, neigte sich seinem Ende zu. Er roch die Niederlage förmlich schon. Er nahm an, dass sie schon unvermeidlich gewesen war, als Loup die Verteidiger von San Isidro mit seiner Leichten Infanterie ausmanövriert hatte. Jede Sekunde würde ein Schwarm Franzosen durch das Loch in der Decke strömen, und auch wenn die ersten Feinde vermutlich sterben würden, die zweite Welle würde auf den Leichen ihrer Kameraden kämpfen und aller Wahrscheinlichkeit nach den Sieg davontragen. Und was dann? Sharpe zuckte bei dem Gedanken an Loups Rache unwillkürlich zusammen. Er spürte förmlich schon das Messer in seinem Schritt und dann den Schmerz, den unerträglichen Schmerz …
Sharpe beobachtete das Loch in der Decke und spannte den Hahn für einen letzten Schuss, und er fragte sich, ob es wohl besser wäre, wenn er sich mit der letzten Kugel selbst das Hirn rausblasen würde.
Und dann bebte die Welt. Staub rieselte aus jedem Spalt an der Decke, und ein Blitz zuckte über das Loch im Dach. Eine Sekunde später zog das Donnern einer mächtigen Explosion über die Baracken hinweg, sodass noch nicht einmal die französischen Musketen draußen und die schluchzenden Kinder drinnen zu hören waren. Der gewaltige Lärm hallte im Inneren des Forts wider, während Holzsplitter auf das Dach der Baracke regneten.
Dann kehrte eine unheimliche Stille ein. Die Franzosen hatten das Feuer eingestellt. Irgendwo in der Nähe der Baracken keuchte und wimmerte ein Mann. Der Himmel wirkte deutlich heller, doch das Licht war grell und rot. Ein Stück Stein oder Holz rollte vom Dach herunter. Männer stöhnten und schrien, und weiter weg knisterten Flammen.
Daniel Hagman räumte ein paar der Strohmatratzen weg, mit denen die Tür verbarrikadiert war, und lugte durch ein Einschussloch nach draußen. »Das war die Munition der Portugiesen«, sagte er. »Da drüben standen zwei Wagen von dem Zeug, Sir, und irgendein dämlicher Frosch hat wohl mit dem Feuer gespielt.«
Sharpe räumte eine Schießscharte frei. Auch auf der anderen Seite war sie offen. Ein Franzose mit brennender grauer Uniform wankte durch Sharpes Sichtfeld. Jetzt hörte er auch weitere Männer schreien und stöhnen.
»Die Explosion hat die Scheißkerle einfach vom Dach gefegt, Sir!«, rief Harper.
Sharpe rannte zu dem Loch im Dach und befahl einem Mann, sich zu bücken. Dann kletterte er auf den Rücken des Mannes, sprang hoch und klammerte sich an den Rand des Lochs. »Hebt mich hoch!«, befahl er.
Irgendjemand packte ihn an den Beinen und schob, und unbeholfen zog sich Sharpe aufs Dach. Das gesamte Innere des Forts war verkohlt und qualmte. Von den beiden Munitionskarren war nichts mehr übrig, und die Explosion hatte die siegreichen Franzosen ins Chaos gestürzt. Das Dach war blutverschmiert, und auf dem Boden neben den Baracken stapelten sich die Leichen, während die Überlebenden benommen durch die Gegend taumelten. Ein nackter Mann, schwarz verbrannt und blutend, drehte sich inmitten der unter Schock stehenden Franzosen im Kreis. Dann sah einer der verwirrten Infanteristen Sharpe auf dem Dach, doch er hatte nicht die Kraft, seine Muskete zu heben – oder vielleicht fehlte es ihm auch an
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