Sharpes Gefecht
Gerechtigkeit, Richard, sondern Politik, und wie alles, was mit Politik zu tun hat, ist es nicht schön, aber wenn sie gut gemacht ist, dann kann sie Wunder wirken. Ich werde Sie jetzt die Toten begraben lassen, und morgen früh werden Sie sich mit all Ihren entwaffneten Iren im Hauptquartier melden. Wir suchen noch nach einer Unterkunft für sie, wo sie keinen Schaden anrichten können. Was Sie betrifft, Richard, so können Sie danach natürlich wieder mit Ihrer normalen Arbeit weitermachen.«
Sharpe fühlte sich nach wie vor unwohl ob der Ungerechtigkeit des Ganzen. »Nehmen wir einmal an, Runciman führt mich als Zeugen an. Was dann?«, fragte er. »Ich werde nämlich nicht lügen. Ich mag den Mann.«
»Sie haben wirklich einen perversen Geschmack, Richard. Runciman wird Sie nicht als Zeugen aufrufen lassen. Das wird niemand. Diese Untersuchungskommission dient nicht dazu, die Wahrheit herauszufinden, Richard. Sie soll Wellington und mich von dem schmerzhaften Haken befreien, der gegenwärtig tief in unserem Gaumen steckt.« Hogan grinste, drehte sich um und ging. »Ich werde Ihnen ein paar Hacken und Schaufeln schicken, damit Sie die Toten begraben können!«, rief er zum Abschied.
»Sie konnten uns nicht schicken, was wir brauchten«, rief Sharpe dem Major verbittert hinterher, »aber ein paar verdammte Schaufeln, die haben Sie sofort!«
»Ich kann eben Wunder wirken! Kommen Sie morgen bei mir vorbei! Dann essen wir zusammen!«
Der Gestank der Toten lag schwer auf dem Fort. Aasvögel kreisten am Himmel oder hockten auf den zerbröckelnden Mauern. Ein paar neue Grabwerkzeuge waren bereits im Fort eingetroffen, und Sharpe befahl der Real Compañía Irlandesa, einen langen Graben als Massengrab auszuheben. Seine Riflemen sollten sich den Iren anschließen. Die Grünröcke grummelten, denn als Elitesoldaten erachteten sie solch eine Arbeit als unter ihrer Würde, doch Sharpe bestand darauf. »Wir tun es, weil sie es tun«, sagte er seinen unglücklichen Männern und deutete mit dem Daumen auf die irischen Gardisten. Sharpe legte sogar selbst Hand an. Er machte den Oberkörper frei und schwang seine Spitzhacke wie ein Werkzeug der Rache. Wieder und wieder schlug er die Hacke in den harten, felsigen Boden, riss ihn auf, und Schweiß lief ihm über den Leib.
»Sharpe?« Ein trauriger Colonel Runciman schaute von seinem großen Pferd zu dem schwitzenden, halb nackten Rifleman hinunter. »Sind Sie das wirklich, Sharpe?«
Sharpe richtete sich auf und wischte sich die Haare aus den Augen. »Ja, General. Ich bin’s.«
»Sind Sie mal ausgepeitscht worden?« Runciman starrte entsetzt auf die dicken Narben auf Sharpes Rücken.
»In Indien, General, für etwas, das ich nicht getan habe.«
»Sie sollten hier nicht graben! Das ist unter Ihrer Würde als Offizier, Sharpe. Sie müssen endlich lernen, sich wie einer zu benehmen.«
Sharpe wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Ich mag das Graben, General. Es ist ehrliche Arbeit. Ich habe immer davon geträumt, eines Tages eine eigene Farm zu haben. Nur eine kleine, aber groß genug, um von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang ehrlich zu arbeiten. Wollen Sie sich verabschieden?«
Runciman nickte. »Haben Sie schon gehört, dass es eine Untersuchungskommission geben wird?«
»Ja, Sir.«
»Ich nehme an, sie brauchen jemanden, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben können«, sagte Runciman. »General Valverde sagt, dass jemand dafür hängen solle.« Nervös spielte Runciman an den Zügeln herum. Dann drehte er sich im Sattel um und schaute zu dem spanischen General, der gerade gut hundert Schritt entfernt mit Lord Kiely sprach. Kiely gestikulierte wild und deutete alle paar Sekunden zu Sharpe. »Glauben Sie, dass Sie mich hängen werden, Sharpe?«, fragte Runciman. Er schien den Tränen nah zu sein.
»Sie werden Sie nicht hängen, General«, antwortete Sharpe.
»Aber die Schande …«, schluchzte Runciman. Er war am Boden zerstört.
»Dann kämpfen Sie«, sagte Sharpe.
»Wie?«
»Sagen Sie ihnen, Sie hätten mir befohlen, Oliveira zu warnen, und das habe ich ja auch getan.«
Runciman legte die Stirn in Falten. »Aber das habe ich Ihnen nicht befohlen, Sharpe.«
»Und? Das wissen diese Leute doch nicht, Sir.«
»Ich kann doch nicht lügen!«, erklärte Runciman schockiert.
»Ihre Ehre steht auf dem Spiel, Sir, und da werden genug Bastarde sein, die lügen, dass sich die Balken biegen.«
»Das ist mir egal. Ich werde das jedenfalls nicht!«, beharrte Runciman
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