Sharpes Gold (German Edition)
Begegnung.
Der hochgewachsene Mann, der etwa drei Jahre älter war als Sharpe, lächelte. »Ich bin Joaquin Jovellanos, ehemals Oberst des spanischen Heeres und heute als El Católico bekannt.« Er deutete eine Verbeugung an. Ihn schien die Begegnung zu amüsieren. »Man benutzt meinen Namen, um den Franzosen Angst zu machen, aber Sie sehen ja, dass ich in Wahrheit harmlos bin.« Sharpe erinnerte sich an die außergewöhnliche Flinkheit des Mannes im Umgang mit dem Degen, an seine Tapferkeit, mit der er allein dem Angriff der Franzosen entgegengetreten war. Dieser Mann war alles andere als harmlos. Sharpe fielen seine langfingrigen Hände auf, die sich, wenn er eine Geste ausführte, mit geradezu ritueller Anmut bewegten. Eine davon wurde nun Sharpe entgegengestreckt. »Wie ich höre, haben Sie meine Teresa gerettet.«
»Ja.« Sharpe, der ebenso groß war wie El Católico, kam sich im Vergleich mit der eleganten Lässigkeit des Spaniers plump vor.
Die andere Hand kam unter dem Umhang hervor, legte sich kurz auf Sharpes Schulter. »Dann stehe ich in Ihrer Schuld.« Doch diese Worte wurden Lügen gestraft durch einen Blick, der wachsam und misstrauisch blieb. El Católico trat zurück und lächelte, als müsse er zugestehen, dass spanische Umgangsformen in der Tat ein wenig blumig sein konnten. Er wies mit schlanker Hand auf die Gruft. »Leer.«
»Es hat den Anschein. Eine Menge Geld.«
»Das Sie mit Vergnügen für uns transportiert hätten.« Die Stimme klang wie dunkle Seide. »Nach Cádiz?« El Católico hatte Sharpe die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Der Spanier lächelte und wiederholte seine Geste. »Doch das ist leider unmöglich. Es ist verschwunden.«
»Wissen Sie, wohin?« Sharpe kam sich in Gegenwart dieses gepflegten Aristokraten vor wie ein dreckiger Straßenkehrer.
Der Spanier hob die Augenbrauen. »Oh ja, Captain, oh ja.«
Sharpe war klar, dass man ihn hinhielt, blieb jedoch beharrlich. »Wohin?«
»Interessiert Sie das?« Sharpe gab keine Antwort, und El Católico lächelte wieder. »Es handelt sich um unser Gold, Captain, spanisches Gold.«
»Ich bin neugierig.«
»Ah. Nun, in diesem Fall kann ich Ihre Neugier stillen. Die Franzosen haben es. Sie haben es vor zwei Tagen erbeutet, zusammen mit Ihrem galanten Captain Hardy. Wir haben einen Nachzügler erwischt, der uns davon erzählt hat.«
Kearsey räusperte sich, sah zu El Católico hinüber, als wolle er um Sprecherlaubnis bitten, und er erhielt sie. »Das war’s, Sharpe. Die Jagd ist vorbei. Nun geht es zurück nach Portugal.«
Sharpe ignorierte ihn, starrte weiterhin den misstrauischen Spanier an. »Sind Sie sicher?«
El Católico lächelte, zog amüsiert die Brauen hoch, breitete die Hände aus. »Wenn unser Nachzügler nicht gelogen hat. Und das möchte ich bezweifeln.«
»Sie haben für ihn gebetet?«
»Das habe ich, Captain. Er ist mit einem Gebet zum Himmel gefahren und ohne seine Rippen. Die habe ich eine nach der anderen entfernt.« El Católico lachte.
Nun war Sharpe an der Reihe zu lächeln. »Wir haben selbst einen Gefangenen. Gewiss kann er die Geschichte Ihres Nachzüglers entweder abstreiten oder bestätigen.«
El Católico zeigte nach oben. »Der polnische Feldwebel? Ist das Ihr Gefangener?«
Sharpe nickte. Mit seiner Hilfe würden die Lügen aufgedeckt werden. »Den meine ich.«
»Wie traurig.« Der Spanier legte wie zu frommem Bedauern anmutig die Hände aneinander. »Ich habe ihm gleich bei meiner Ankunft die Kehle durchgeschnitten. In einem Anflug von Zorn.«
Was immer der Mund tun mochte, seine Augen lächelten nicht, und Sharpe war sich darüber im Klaren, dass dies nicht der Moment war, die unterschwellige Herausforderung anzuerkennen oder gar anzunehmen. Er zuckte mit den Schultern, als sei der Tod des Feldwebels für ihn ohne Bedeutung, und folgte dem hochgewachsenen Spanier die Treppe hinauf in die Einsiedelei, die vom Lärm der Neuankömmlinge widerhallte. Sie beruhigten sich, sobald ihr Anführer erschien. Sharpe stand inmitten des starken süßlichen Geruchs und beobachtete, wie sich der Mann im grauen Umhang lässig unter seine Gefolgsleute mischte: der Inbegriff eines Herrschers, der Gefälligkeiten, Belohnungen und Trost spendete.
Ein Soldat, wusste Sharpe, wurde nicht nur nach seinen Taten, sondern nach den Feinden beurteilt, die er vernichtet hatte, und die Finger des Schützen berührten unwillkürlich seinen mächtigen Degen. Es waren keinerlei Eingeständnisse gemacht worden,
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