Sharpes Gold (German Edition)
stellen, wo dereinst sein eigener Leichnam zur Ruhe kommen würde. Unter der Asche eines Schlachtfeldes oder ertrunken wie die armen Verstärkungstruppen in ihren Transportschiffen? »Sergeant!«
»Sir?«
»Wo bleibt die Hacke?«
Harper fegte mit dem Fuß den Schutt beiseite, den die Polen hinterlassen hatten, dann grunzte er und bückte sich. Er hatte die Spitzhacke von ihrem Stiel befreit und stieß sie in die Lücke zwischen den Steinen. Als er sich dagegenstemmte, traten die Adern in seinem Gesicht vor. Dann setzte sich die Platte ruckartig in Bewegung und wurde so weit angehoben, dass Sharpe einen Stein darunterschieben konnte.
»Ihr da!« Von der Tür der Einsiedelei her wandten sich ihm einzelne Gesichter zu. »Kommt her!«
Teresa war an eine zweite Tür getreten, die auf den Friedhof hinausführte, und blieb dort stehen, als gehe sie die Sache nichts an. Harper setzte die Hacke erneut an und stemmte sich dagegen. Diesmal ging alles leichter, und der Spalt war breit genug, dass ein Dutzend Hände die Platte erfassen und hochklappen konnte wie eine Falltür, während Kearsey viel Aufhebens machte, weil er befürchtete, sie könnten sie fallen lassen und den Morenos eine zerstörte Gruft hinterlassen. Unbeleuchtete Stufen führten hinab in die Dunkelheit. Sharpe trat herzu und beanspruchte das Recht, als Erster hinabzusteigen.
»Kerze! Nun macht schon! Es muss doch irgendwo eine Kerze geben!«
Hagman hatte eine in seinem Tornister, einen schmierigen, aber funktionsfähigen Stumpen, und es entstand eine Verzögerung, während sie angezündet wurde. Sharpe starrte hinab in die Schwärze. Hier sollten Wellingtons Hoffnungen begraben liegen? Einfach lächerlich.
Er nahm die Kerze und begann den langsamen Abstieg in die Gruft, wo ihn ein ganz anderer Geruch erwartete. Kein süßlicher, kein ranziger Geruch, sondern ein staubiger, weil die Leichen, die man hier bestattet hatte, schon lange Zeit dort waren, einige davon lange genug, dass ihre Särge zerfallen waren und trocken schimmernde Gebeine erkennen ließen. Andere Särge waren noch intakt, das Gestein unterhalb ihrer Nischen mit ausgelaufener Flüssigkeit befleckt, aber Sharpe war nicht gekommen, um Särge in Augenschein zu nehmen. Er hielt das unzureichende Licht hoch, schwenkte es in dem engen Raum umher und sah inmitten der Trümmer Metall aufblitzen. Doch es handelte sich nicht um Gold, nur um ein Stück Messing, das einst als Beschlag für eine Sargecke gedient hatte.
Sharpe wandte sich an Kearsey. »Hier ist kein Gold.«
»Nein.« Der Major sah sich um, als könne er auf dem leeren Boden sechzehntausend Goldmünzen übersehen haben. »Es ist verschwunden.«
»Wo war es gelagert?« Sharpe wusste, es bestand keine Hoffnung, aber er war nicht bereit aufzugeben.
»Dort. Wo Sie stehen.«
»Wo ist es dann hingekommen, Sir?«
Kearsey schnüffelte, richtete sich zu voller Höhe auf. »Wie soll ich das wissen, Sharpe? Ich weiß nur, dass es nicht mehr da ist.« Es hatte ein wenig den Anschein, als fühle er sich bestätigt.
»Und wo ist Captain Hardy?« Sharpe war wütend. Weil er umsonst so weit vorgedrungen war.
»Ich weiß es nicht.«
Sharpe trat gegen die Wand der Gruft, eine sinnlose Reaktion, und fluchte. Das Gold war verschwunden, Hardy wurde vermisst, Kelly war tot, und Rorden lag im Sterben. Er stellte die Kerze am Rand einer Nische ab und bückte sich, um den Boden zu untersuchen. Der daraufliegende Staub zeigte lange Schleifspuren, und er gratulierte sich ironisch zu dem Gedanken, dass diese Spuren entstanden waren, als man das Gold entfernt hatte. Das Wissen war jetzt kaum zu etwas nutze. Das Gold war fort. Er richtete sich auf.
»Könnte es sein, dass El Católico es mitgenommen hat?«, fragte Sharpe Kearsey.
Die Stimme erklang über ihnen, oben an der Treppe, und es war eine sonore Stimme, so tief wie die Kearseys, aber jünger, wesentlich jünger. »Nein, das kann nicht sein.« Der Besitzer der Stimme trug lange graue Stiefel und einen langen grauen Umhang, der eine schlanke silberne Degenscheide verdeckte. Als er die Stufen herabkam und in das schwache Licht trat, erwies er sich als hochgewachsener Mann mit dunklen, schmalen, angenehmen Gesichtszügen. »Major. Wie schön, Sie wiederzusehen.«
Kearsey strich sich das Haar glatt, zwirbelte seinen Schnurrbart und wies auf Sharpe.
»Oberst Jovellanos, dies ist Captain Sharpe. Sharpe, dies ist ...«
»El Católico.« Sharpes Stimme klang neutral, er freute sich nicht über die
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