Sharpes Gold (German Edition)
blutüberströmten Leichen im Keller. Dies war nicht der Krieg, wie er ihn in Talavera erlebt hatte.
Sie verbrachten die Nacht in der Mulde, sahen sich vor für den Fall, dass die Franzosen noch Ausschau hielten, und irgendwann zu später Stunde hörten die Blasen auf, aus Kellys Kehle aufzusteigen. Pru Kelly war, obwohl sie es noch nicht wusste, erneut Witwe geworden, und Sharpe dachte an das Lächeln des kleinen Corporals, an seine Bereitwilligkeit. Sie begruben ihn im Morgengrauen in einem mühsam ausgehobenen flachen Grab, und sie bedeckten es mit Steinen, die schon bald ein Fuchs auseinanderscharren würde und auf denen die Geier hocken würden, um die Brust des Leichnams noch weiter aufzureißen.
Kearsey sprach die Worte, soweit er sich daran erinnerte, und die Männer standen verlegen um die aufgehäuften Steine herum. Staub zu Staub, Asche zu Asche. Und in ein paar Wochen, dachte Sharpe, würde Pru Kelly wieder heiraten, weil das bei den Frauen, die mit den Soldaten marschierten, so üblich war. Der polnische Sergeant, den man mit Musketengurten gefesselt hatte, beobachtete das Begräbnis und hörte sogar einige Augenblicke auf zu zappeln. Der neue Tag brach an, es war immer noch heiß, der Regen ließ immer noch auf sich warten, und die Leichte Kompanie marschierte ins menschenleere Tal hinab, um ihr Gold zu finden.
KAPITEL 9
Es war ein süßlicher Geruch, schleimig süß, der tief in der Nase einen übel riechenden Rückstand hinterließ, doch war es unmöglich zu erklären, warum er so unangenehm war. Sharpe hatte ihn, wie die Mehrheit der Kompanie, oft genug wahrgenommen, und sie wurden fünfzig Yards vom Dorf entfernt darauf aufmerksam. Es war nicht so sehr ein Geruch, dachte Sharpe, sondern ein Zustand der Luft, wie ein unsichtbarer Nebel. Er schien wie Nebel die Luft zu verdichten und das Atmen zu erschweren, enthielt jedoch untrüglich jenes süße Versprechen, als würden die von den Franzosen zurückgelassenen Leichen aus Zucker und Honig bestehen.
Nicht einmal die Hunde hatte man am Leben gelassen. Einige Katzen, die zu schwer zu fangen waren, hatten das Massaker überlebt, aber die Hunde waren wie ihre Besitzer abgeschlachtet worden, aufgeschlitzt mit verzweifeltem Ungestüm, als glaubten die Franzosen, dass der Tod allein nicht genüge, dass man einen Körper von innen nach außen kehren müsse, damit er nicht von Zauberhand zu neuem Leben erwachen und ihnen erneut einen Hinterhalt legen konnte.
Im gesamten Dorf war nur ein Mann am Leben. Es handelte sich um einen von Sharpes Männern, der nach dem Angriff zurückgeblieben war, und die Franzosen hatten dem seltsamen Ehrenkodex gemäß, der unter Soldaten herrschte, John Rorden auf eine Matratze gebettet, mit Brot und Wasser zur Hand und einer Kugel irgendwo in seiner Hüfte, die dafür sorgen würde, dass er starb, noch ehe dieser Tag vorbei war.
Ramon teilte Sharpe in stockendem Englisch mit, dass man vier Dutzend Leute im Dorf zurückgelassen hatte, hauptsächlich die alten oder die ganz jungen, dass sie jedoch alle tot seien. Sharpe starrte die abgerissenen Häuser an, das Blut, mit dem die niedrigen, weiß getünchten Mauern bespritzt waren.
»Warum wurden sie gefangen genommen?«
Ramon zuckte mit den Schultern, hob die bandagierte Hand. »Sie waren gut.«
»Gut?«
»Francese.«
Er suchte nach einem bestimmten Wort, und Sharpe sprang helfend ein.
»Schlau?«
Der junge Mann nickte. Er hatte die gleiche Nase wie seine Schwester, die gleichen dunklen Augen, doch war er von einer Freundlichkeit, die Sharpe bei Teresa nicht erlebt hatte. Ramon schüttelte betrübt den Kopf. »Sie waren nicht alle Guerilleros, ja?« Er formulierte jeden Satz wie eine Frage, als müsse er sich vergewissern, dass sein Englisch gut genug war. Sharpe nickte jedes Mal. »Sie wollen Frieden. Aber jetzt ...« Er sagte zwei rasche Sätze auf Spanisch. Sein Tonfall war erbittert, und Sharpe begriff, dass jene Leute aus dem Bergland, die versucht hatten, sich aus dem Krieg herauszuhalten, hineingezogen werden würden, ob es ihnen recht war oder nicht. Ramon blinzelte, um seine Tränen zurückzuhalten. Die Toten stammten aus seinem Dorf. »Wir haben uns dorthin gewandt.« Er zeigte nach Norden. »Sie waren vor uns da, ja? Wir wurden ...« Er beschrieb mit beiden bandagierten Händen einen Kreis.
»Umzingelt?«
»Si.« Er blickte auf seine rechte Hand, auf die Finger, die aus dem grauen Verband ragten, und Sharpe sah, wie sich der Zeigefinger bewegte, als wolle
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