Sharpes Trafalgar
gelacht, und man freute sich, als Tufnell befahl, gut durchzulüften, damit sich der Gestank verflüchtigte.
Als die Sonne in orangefarbenem und goldenem Schein unterging, gesellten sich Passagiere zu den Seeleuten auf dem Vordeck zum Tanz.
Vor dem Abendessen brachte Pohlmann Sharpe eine Zigarre.
»Ich werde Sie heute Abend nicht zum Essen mit uns einladen«, sagte er. »Joshua Fazackerly spendiert den Wein, was bedeutet, dass er sich berechtigt fühlt, uns alle mit seinen juristischen Erinnerungen zu langweilen. Es wird wahrscheinlich ein schrecklich ermüdendes Essen.« Er blies eine Qualmwolke zum Großsegel hinauf. »Sie wissen, warum ich die Marathen gemocht habe? Es gab keine Anwälte unter ihnen.«
»Es gab auch kein Gesetz«, sagte Sharpe.
Pohlmann warf ihm einen Seitenblick zu. »Stimmt. Aber ich mag verdorbene, gesetzlose Gesellschaften, Richard. In einer verdorbenen Gesellschaft gewinnen die größten Schurken.«
»Warum dann heimkehren?«
»Europa ist verdorben«, sagte Pohlmann. »Die Franzosen reden laut von Gesetz und Recht, doch dahinter verbirgt sich nichts als Gier. Ich verstehe Gier, Richard.«
»Wo wollen Sie also leben?«, fragte Sharpe. »London, Hannover oder Frankreich?«
»Vielleicht in Italien. Eventuell in Spanien? Nein, nicht Spanien, ich könnte die Priester nicht ertragen. Vielleicht sollte ich nach Amerika gehen. Man sagt, Schurken leben dort gut.«
»Vielleicht werden Sie in Frankreich leben?«
»Warum nicht? Ich habe nichts gegen Frankreich.«
»Sie werden aber etwas dagegen haben, wenn die Revenant uns aufspürt.«
»Die Revenant?«, fragte Pohlmann unschuldig.
»Französisches Kriegsschiff«, sagte Sharpe.
Pohlmann lachte. »Das wäre - wie sagt man? - wie eine Nadel im Heuhaufen finden. Obwohl ich immer gedacht habe, es wäre leicht, eine Nadel in einem Heuhaufen zu finden. Einfach ein Mädchen ins Heu mitnehmen und vögeln, und man könnte ziemlich sicher sein, dass die Nadel ihren Hintern finden wird. Haben Sie jemals in einem Heuhaufen gevögelt?«
»Nein.«
»Das kann ich auch nicht empfehlen. Es ist wie auf diesen Betten der Fakire. Wenn Sie aber dort vögeln, Richard, sorgen Sie dafür, dass Sie derjenige sind, der oben liegt.«
Sharpe blickte hinaus auf den sich verdunkelnden Ozean. Es war kein Schaum mehr darauf zu sehen, und die langen Wellen bewegten sich nur langsam auf und ab.
»Wie gut kennen sie Cromwell?«, platzte er heraus, hin- und hergerissen zwischen der Abneigung, das Misstrauen des Deutschen zu erregen, und dem Wunsch, diese Verdächtigungen überhaupt nicht zu glauben.
Pohlmann betrachtete Sharpe voller Neugier, kein bisschen feindselig. »Ich kenne den Mann kaum«, antwortete er steif. »Ich habe ihn ein-, zweimal in Bombay getroffen, als er an Land war, weil ich es für vernünftig hielt, damit wir hier ein anständiges Quartier bekommen, aber sonst kenne ich ihn so gut, wie Sie ihn kennen. Warum fragen Sie?«
»Ich habe überlegt, ob Sie ihn gut genug kennen, um herauszufinden, warum er den Konvoi verlassen hat.«
Polmann lachte, und sein Argwohn war durch Sharpes Erklärung beschwichtigt. »Ich glaube nicht, dass ich ihn so gut kenne, aber Mister Tufnell sagte mir, dass wir östlich von Madagaskar segeln werden, während der Konvoi nach Westen unterwegs ist. Wir werden Zeit gewinnen und mindestens zwei Wochen vor den anderen Schiffen in der Heimat sein. Und das wird den Wert der Fracht steigern, woran der Captain ein beträchtliches Interesse hat.« Pohlmann sog an seiner Zigarre. »Missbilligen Sie sein eigenmächtiges Handeln?«
»In der Gemeinschaft ist man sicher«, sagte Sharpe.
»In der Schnelligkeit aber auch. Tufnell sagt, wir sollten jetzt mindestens neunzig Seemeilen pro Tag machen.« Der Deutsche warf den Zigarrenstummel über Bord. »Ich muss mich zum Abendessen umziehen.«
Sharpe spürte, dass da etwas nicht stimmte, aber er konnte nicht genau sagen, was es war. Wenn Lady Grace recht hatte, dann unterhielten sich Pohlmann und der Captain häufig, und Sharpe neigte dazu, Ihrer Ladyschaft zu glauben. Doch er konnte einfach nicht erkennen, welche Auswirkungen Pohlmanns und Cromwells Bekanntschaft auf andere haben konnte.
Zwei Tage später wurde in der Ferne im Westen Land gesichtet. Der Ruf vom Masttopp bewirkte einen Ansturm von Passagieren zur Steuerbordreling, doch niemand konnte Land sehen, wenn er nicht bereit war, in die Takelage zu klettern. Nur ein Streifen Wolken an der Kimm zeigte, wo die entfernte Küste
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