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Sharpes Trafalgar

Titel: Sharpes Trafalgar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ich schon wüsste, hat er gefragt. Cromwell kenne sein Geschäft, und ich solle einfach Ruhe geben.« Sie schwieg, und Sharpe erkannte plötzlich und peinlich berührt, dass sie weinte. Sie stützte beide Hände auf die Reling, und die Tränen rannen über ihre Wangen. »Ich habe Indien gehasst«, sagte sie nach einer Weile.
    »Warum, Mylady?«
    »Alles stirbt in Indien«, sagte sie bitter. »Meine beiden Hunde verendeten, und dann starb mein Sohn.«
    »O Gott, das tut mir leid.«
    Sie ignorierte sein Mitgefühl. »Und ich kam fast ums Leben. Fieber natürlich.« Sie schniefte. »Und es gab Zeiten, an denen ich mir gewünscht habe, zu sterben.«
    »Wie alt war Ihr Sohn?«
    »Drei Monate«, sagte sie leise. »Er war unser erstes Kind und so winzig. Er hatte süße Fingerchen und begann gerade erst zu lächeln, und dann siechte er dahin. Alles verrottet in Indien. Es wird schwarz und verfault!« Sie begann stärker zu weinen, ihre Schultern hoben und senkten sich schluchzend.
    Sharpe ergriff sie einfach an den Schultern, drehte sie herum und zog sie an sich, und sie ließ ihn gewähren und weinte an seiner Schulter.
    Nach einer Weile beruhigte sie sich. »Es tut mir leid«, flüsterte sie und trat ein wenig zurück, schien jedoch damit zufrieden zu sein, dass er seine Hände auf ihren Schultern ließ.
    »Es gibt keinen Grund dazu«, sagte Sharpe.
    Ihr Kopf war gesenkt, und er konnte den Duft ihres Haars wahrnehmen. Dann hob sie ihr Gesicht und schaute ihn an.
    »Haben Sie je gewünscht, zu sterben, Mister Sharpe?«
    Er lächelte sie an. »Ich habe immer gedacht, das wäre eine schreckliche Verschwendung, Mylady.«
    Sie runzelte die Stirn bei dieser Antwort, doch dann, ganz plötzlich, lachte sie, und ihr Gesicht war, zum ersten Mal, seit Sharpe sie gesehen hatte, mit Leben erfüllt, und er glaubte, dass er niemals eine so schöne Frau gesehen hatte und jemals wieder sehen würde. Der Anblick war so liebreizend, dass er sich zu ihr neigte und sie küsste.
    Sie schob ihn fort, und er wich gekränkt zurück, bereitete sich verwirrt auf Entschuldigungen vor, doch sie zog nur ihre Arme zurück, die zwischen ihren Körpern gefangen gewesen waren, schlang sie um seinen Nacken und zog sein Gesicht an ihres, um ihn so leidenschaftlich zu küssen, dass Sharpe Blut von ihren Lippen schmeckte. Sie seufzte und schmiegte ihre Wange an seine. »O Gott«, sagte sie leise. »Ich wollte vom ersten Moment an, als ich dich sah, dass du das tust.«
    Sharpe verbarg sein Erstaunen. »Ich dachte, Sie haben mich gar nicht zur Kenntnis genommen.«
    »Dann bist du ein Narr, Richard Sharpe.«
    »Und Sie, Mylady?«
    Sie zog den Kopf zurück, ließ die Arme jedoch um seinen Nacken. »Oh, ich bin ein Dummkopf, das weiß ich. Wie alt bist du?«
    »Achtundzwanzig, Mylady, jedenfalls soweit ich weiß.«
    Sie lächelte, und er hatte noch niemals ein Gesicht gesehen, das plötzlich so viel Freude ausstrahlte. Dann neigte sie sich vor und küsste ihn leicht auf die Lippen. »Ich bin Grace«, sagte sie leise, »und warum sagst du ›soweit du weißt‹?«
    »Ich habe meine Eltern nie kennen gelernt.«
    »Nie? Wer hat dich erzogen?«
    »Ich bin nie wirklich erzogen worden, Ma'am. Verzeihung - Grace.« Ihm schoss das Blut in die Wangen, denn obwohl er sich vorstellen konnte, sie zu küssen und mit ihr im Bett zu liegen, konnte er sich nicht daran gewöhnen, sie beim Vornamen zu nennen. »Ich war ein paar Jahre im Waisenhaus, eines, das an ein Arbeitshaus angeschlossen war, und danach habe ich mich allein durchs Leben geschlagen.«
    »Ich bin auch achtundzwanzig«, sagte sie, »und ich bezweifle, dass ich jemals glücklich war. Deshalb bin ich ein Dummkopf.« Sharpe sagte nichts, starrte sie nur ungläubig an. Sie bemerkte seine Ungläubigkeit und lachte. »Es stimmt, Richard.«
    »Warum?«
    Da war das Murmeln von Stimmen auf dem Achterdeck und plötzliches Licht, als eine Laterne im beleuchteten Kompasshaus nicht mehr beschirmt war. Lady Grace trat von Sharpe fort und er von ihr, und beide drehten sich um und starrten auf die See. Das Licht verschwand. Lady Grace schwieg eine Weile, und Sharpe fragte sich, ob sie bedauerte, was geschehen war, doch dann sagte sie leise: »Du bist wie Unkraut, Richard. Du kannst überall wachsen. Ein großes, starkes Unkraut, und du bekommst vermutlich Dornen und stinkende Blätter. Aber ich bin in einem Rosengarten aufgewachsen, gehegt und verwöhnt, aber ich durfte nicht irgendwo aufwachsen, nur dort, wo der Gärtner es

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