Sharpes Trafalgar
drei lebende Männer darauf gewesen sein, und die waren dem Tode nahe. Sie konnten natürlich nicht landen, die armen Kerle. Sie mussten vor der Küste ankern und der Krankheit ihren Lauf lassen, bis sie alle tot waren.«
Der Amerikaner, überzeugt, dass von der Calliope keine Gefahr drohte, segelte nahe an den großen Indienfahrer heran, und die beiden Schiffe inspizierten einander, als sie sich mitten im Ozean passierten. Der Amerikaner war halb so lang wie die Calliope, und das Hauptdeck war gerammelt voll mit Beibooten für die Waljagd. »Zweifellos hat sie Fracht für Mauritius«, bemerkte Major Dalton.
Die amerikanische Mannschaft segelte vorbei, und die Leute an Bord des Indienfahrers konnten den Namen des Walfängers und den Heimathafen lesen, der blau und golden am Heck aufgemalt war. »Die Jonah Coffin aus Nantucket«, sagte Dalton. »Welch ausgefallene Namen die auswählen!«
»Wie Peculiar Cromwell?«
»Da sagen Sie was!« Dalton lachte. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Captain seinen Namen auf das Heck seines Schiffes malt. Übrigens, Sharpe, ich habe zum Dinner eine eingepökelte Zunge spendiert.«
»Großzügig von Ihnen, Sir.«
»Und ich schulde Ihnen eine Entschädigung für all Ihre Hilfe«, sagte Dalton und meinte damit seine langen Unterhaltungen mit Sharpe über den Krieg gegen die Marathen, über den er in seinem Ruhestand schreiben wollte. »Warum leisten Sie uns nicht am Mittag Gesellschaft? Der Captain hat zugestimmt, dass wir auf dem Achterdeck essen!« Dalton klang so aufgeregt, als sei ein Essen in frischer Luft etwas ganz Besonderes.
»Ich möchte nicht stören, Major.«
»Das ist doch keine Störung! Sie werden mein Gast sein. Ich habe auch Wein spendiert, und Sie können uns beim Trinken helfen. Roter Rock, befürchte ich, Sharpe. Das Essen könnte nur ein kalter Imbiss werden, aber Peculiar duldet niemanden in Hemdsärmeln auf dem Achterdeck.«
Sharpe hatte noch eine Stunde bis zum Dinner, und so ging er nach unten, um seinen roten Uniformrock auszubürsten. Zu seiner Überraschung saß Malachi Braithwaite im Quartier auf seiner Reisetruhe. Der Sekretär wurde im Verlauf der Reise immer mürrischer, und jetzt blickte er Sharpe ärgerlich an.
»Haben Sie Ihr eigenes Quartier nicht gefunden, Braithwaite?«, fragte Sharpe schroff.
»Ich wollte mit Ihnen sprechen.« Der Sekretär wirkte nervös und wich Sharpes Blick aus.
»Sie hätten mich an Deck finden können«, sagte Sharpe und wartete, aber Braithwaite sagte nichts, sondern beobachtete nur, wie Sharpe den Uniformrock über den Rand der Koje hängte und ihn abzubürsten begann. »Nun?«, fragte Sharpe schließlich.
Braithwaite zögerte immer noch. Er fummelte mit der Rechten an einem losen Faden am Ärmel seines schwarzen Rocks herum, fand endlich den Mut, Sharpe anzublicken, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann presste er wieder die Lippen zusammen. Sharpe rieb an einem Schmutzflecken, und schließlich fand der Sekretär die Sprache wieder. »Sie unterhalten sich nachts mit einer Frau«, platzte er anschuldigend heraus.
Sharpe lachte. »Na und? Hat man Ihnen in Oxford nichts über Frauen gelehrt?«
»Eine besondere Frau«, sagte Braithwaite, und es klang fast wie das Zischen einer Schlange.
Sharpe legte die Bürste auf sein Fass Arrak und wandte sich zu dem Sekretär um. »Wenn Sie was zu sagen haben, Braithwaite, dann sagen Sie es, verdammt.«
Der Sekretär wurde rot. Er war nervös, aber er zwang sich, die Konfrontation fortzusetzen. »Ich weiß, was Sie tun, Sharpe.«
»Sie wissen verdammt nichts, Braithwaite.«
»Und wenn ich Seine Lordschaft informiere, wie ich es sollte, dann können Sie sicher sein, dass Ihre Karriere in der Armee Seiner Majestät zu Ende sein wird.« Es hatte Braithwaites ganzen Muts bedurft, um die Drohung auszustoßen, doch er war getrieben von seinem tiefen Groll. »Es wird keine Karriere für Sie geben, Sharpe, keine!«
Sharpes Gesicht blieb ausdruckslos, als er den Sekretär anstarrte, doch innerlich war er entsetzt, weil Braithwaite sein Geheimnis entdeckt hatte. Lady Grace war in zwei aufeinander folgenden Nächten in seiner primitiven Kabine gewesen, war spät in der Nacht zu ihm gekommen und vor dem Morgengrauen gegangen, und Sharpe hatte gedacht, dass niemand es bemerkt hatte. Sie hatten beide geglaubt, diskret gewesen zu sein, aber Braithwaite hatte irgendwie Wind davon bekommen und war nun neidisch auf ihn. Sharpe nahm die Bürste. »Ist das alles,
Weitere Kostenlose Bücher