Sharpes Trafalgar
ihnen, benutzte eine der Musketen für den Seedienst, die der Waffe ähnelte, mit der er als einfacher Soldat gefeuert hatte. Die Waffen waren empfindlich gegen die Salzluft, und die Seesoldaten verbrachten Stunden damit, sie zu reinigen und zu ölen, und noch mehr Stunden damit, mit Bajonetten und Entermessern zu üben.
Llewellyn bestand auch darauf, dass Sharpe seine neuen Spielzeuge, die siebenläufigen Volley Guns, ausprobierte, und so feuerte Sharpe vom Vordeck in die See und wurde vom Rückstoß fast umgeworfen. Das Laden dieser Waffe dauerte über zwei Minuten, doch der Captain der Seesoldaten sah darin keinen Nachteil. »Feuern Sie damit auf ein Deck der Franzosen, Sharpe, und es gibt das große Heulen und Zähneklappern!« Am allermeisten freute sich Llewellyn darauf, die Revenant zu entern, und er konnte es kaum erwarten, seine rot berockten Männer auf den Feind loszulassen. »Deshalb müssen meine Männer flink sein, Sharpe«, sagte er wiederholt.
Dann gab er einer Gruppe den Befehl, vom Vordeck zum Achterdeck zu rennen, zurück zum Vordeck, dann von backbord nach steuerbord und hin und zurück. »Wenn die Franzmänner uns entern«, sagte er, müssen wir schnell sein. Nicht rumtrödeln, Hawkins! Beeilung, Mann! Sie sind kein Lahmarsch, sondern ein Seesoldat!«
Sharpe rüstete sich mit einem Entermesser aus, das ihm viel besser gefiel als der Kavalleriesäbel, den er bei der Schlacht von Assaye getragen hatte. Das Entermesser hatte eine gerade Klinge, war schwer und plump, aber man konnte es wirkungsvoll einsetzen. »Sie fechten nicht mit ihnen«, mahnte Llewellyn, »denn es ist keine Waffe für das Handgelenk. Hacken Sie damit auf den Feind ein! Kräftigen Sie Ihre Arme, Sharpe. Klettern Sie jeden Tag die Masten hinauf, üben Sie mit dem Entermesser!«
Sharpe kletterte auf die Masten. Er fand es Furcht erregend, denn jede kleine Bewegung an Deck wurde verstärkt, je höher er stieg. Zuerst verzichtete er darauf, den obersten Teil der Takelage zu erreichen, doch er wurde geübt beim Hinaufklettern auf den Großmars, der eine breite Plattform hatte, wo der untere Mast mit dem oberen verbunden war. Die Matrosen erreichten die Mastspitze, indem sie die Wanten benutzten, die zum Rand der Plattformen führten, doch Sharpe zwängte sich immer durch das enge Loch neben dem Mast, statt über die Wanten zu klettern.
Lady Grace war den größten Teil der Woche nicht mehr in Sharpes Nähe gewesen, und es beunruhigte ihn, dass sie Distanz hielt. Ein-, zweimal hatte sie mit ihm Blicke getauscht, und diese stummen Zwiesprachen waren ihm wie eine Bitte vorgekommen. Es hatte keine Möglichkeit gegeben, mit ihr zu sprechen, und sie war nicht das Risiko eingegangen, ihn in der Nacht in seiner Kabine aufzusuchen. Jetzt stand sie an der Leeseite des Achterdecks, nahe bei ihrem Mann, der mit Malachi Braithwaite sprach, und sie schien zu zögern, bevor sie sich Sharpe und Captain Chase näherte, doch dann entschloss sie sich mit sichtlicher Mühe, das Deck zu überqueren. Malachi Braithwaite beobachtete sie, während ihr Mann stirnrunzelnd in Papieren blätterte.
»Wir kommen heute langsam voran, Captain Chase«, sagte sie steif.
»Wir haben eine Strömung, Mylady, die uns unsichtbar hilft, aber ich wünschte, der Wind würde auffrischen.« Chase blickte mit gerunzelter Stirn zu den Segeln hinauf. »Einige Leute glauben, man könnte den Wind mit Pfeifen ermuntern, doch es wirkt anscheinend nicht.« Er pfiff den Anfang eines Seemannsliedes, doch dem sehr leichten Wind war das gleichgültig. »Sehen Sie?«
Lady Grace starrte Chase anscheinend sprachlos an, und der Captain spürte plötzlich, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. »Mylady?«, fragte er mit betroffener Miene.
»Könnten Sie mir auf einer Karte zeigen, wo wir sind, Captain?«, platzte es aus ihr heraus.
Chase zögerte, verwirrt von der plötzlichen Bitte. »Es wäre mir ein Vergnügen, Mylady«, sagte er dann. »Die Karten sind in meiner Tageskabine. Wird Seine Lordschaft ...«
»Ich werde gewiss in Ihrer Kabine sicher sein, Captain«, sagte Lady Grace.
»Sie haben das Kommando, Mister Peel«, sagte Chase zum Zweiten Leutnant, dann führte er Lady Grace vom Achterdeck durch einen Durchgang zur Backbordseite, von wo aus es zu Chases Tageskabine ging. Lord William sah sie und runzelte die Stirn, was Chase verharren ließ. »Möchten Sie auch die Karten sehen, Mylord?«, fragte der Captain.
»Nein, nein«, antwortete Lord William und las weiter in seinen
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