Sharpes Trafalgar
stirbt.«
»Vielleicht hat der Wein sie heute Abend angeregt«, sagte Sharpe.
»Vielleicht, aber ich habe andere Geschichten gehört.«
»Geschichten?«, fragte Sharpe vorsichtig.
»Dass Sie nicht nur ihren Cousin, sondern auch sie gerettet haben. Zum Schaden eines französischen Leutnants, der jetzt bei seinen Ahnen schläft.«
Sharpe nickte, äußerte sich jedoch nicht.
Chase lächelte. »Nach dieser Erfahrung geht es ihr anscheinend besser. Und dieser Sekretär ist ein düsterer, trauriger Vogel, nicht wahr? Verliert den ganzen Abend kaum ein Wort. Und der soll in Oxford studiert haben!« Zu Sharpes Erleichterung ließ Chase das Thema Lady Grace fallen. Stattdessen fragte er Sharpe, ob er sich vorstellen könne, unter Captain Llewellyn zu dienen und somit ehrenhalber Seesoldat zu werden.
»Wenn wir die Revenant schnappen«, sagte Chase, »werden wir versuchen, sie aufzubringen. Wir könnten auf sie einhämmern, bis sie zur Aufgabe gezwungen ist ...«, er klopfte abergläubisch auf das Holz des Tisches, »... aber es könnte auch sein, dass wir immer noch entern müssen. Wenn das geschieht, brauchen wir Kämpfer. Kann ich dann auf Ihre Hilfe zählen? Gut! Ich werde Llewellyn sagen, dass Sie jetzt sein Mann sind. Er ist ein erstklassiger Typ, obwohl Seesoldat und Waliser, und ich bezweifle, dass er Ihnen zu sehr auf die Nerven gehen wird. Und jetzt muss ich an Deck gehen und sicherstellen, dass man uns nicht im Kreis steuert. Kann ich mit Ihnen rechnen?«
»Jawohl, Sir.«
So war Sharpe jetzt ein Seesoldat ehrenhalber.
Die Pucelle hatte jedes Segel gesetzt, mit dem Chase ihre Masten versehen konnte. Er ließ sie sogar durch zusätzliche Trosse stützen, sodass noch mehr Segel gesetzt werden konnten. Es waren Leesegel, Royalsegel, Stagsegel, Außenklüver und Blinden, eine Masse von Segeltuch, von der das Kriegsschiff westwärts getrieben wurde. Chase nannte es »die Wäsche raushängen«, und Sharpe sah, wie die Mannschaft auf die Begeisterung ihres Kapitäns reagierte. Sie war so begierig wie Chase darauf, zu beweisen, dass die Pucelle das schnellste Segelschiff auf den Meeren war.
Und so segelten sie westwärts, bis in einer der folgenden Nächte die See unruhig wurde und das Schiff zu schlingern begann. Sharpe erwachte von hämmernden Schritten auf dem Deck. Er verzichtete darauf, sich anzuziehen, warf sich nur einen Umhang über, den Chase ihm geliehen hatte, und ging aufs Achterdeck. Er konnte fast nichts erkennen, denn Wolken verdunkelten den Mond, doch er konnte Befehle hören, die gebrüllt wurden, und hörte die Stimmen der Männer hoch über sich in der Takelage. Sharpe konnte immer noch nicht verstehen, dass Männer in dunkler Nacht hundert Fuß über einem schwankenden Deck arbeiten konnten, auf dünnen Tauen stehend und das Peitschen des Windes in den Ohren. Er nahm an, dass dies eine Tapferkeit war, die so groß wie jede war, die auf einem Schlachtfeld benötigt wurde.
»Sind Sie das, Sharpe?«, rief Chase.
»Jawohl, Sir.«
»Es ist die Agulhas-Strömung«, sagte Chase glücklich, »die uns um die Spitze von Afrika herum treibt. Wir reffen die Segel. Es wird ein, zwei Tage ziemlich rau!«
Das Tageslicht enthüllte eine aufgewühlte See. Die Pucelle senkte sich in die riesigen Wellentäler, Wolken von Gischt peitschten über die Focksegel und rannen in Strömen vom Segeltuch.
Chase gab immer noch Essen in seinem Quartier, denn er liebte abends die Gesellschaft, doch jede Änderung der Windrichtung trieb ihn von seinem Tisch auf das Achterdeck. Er notierte jede leichte Änderung des Kurses, nahm die Geschwindigkeit zurück, als sich die afrikanische Küste westlich vor ihnen befand, und freute sich, wenn er wieder seine volle »Wäsche« setzen und sehen konnte, wie das Schiff auf die Kraft des Windes reagierte.
»Ich glaube, wir holen sie ein«, sagte er eines Tages zu Sharpe.
»Sie kann sicher nicht so schnell segeln wie wir«, meinte Sharpe.
»Oh, das kann sie vielleicht doch. Aber ich vermute, dass Montmorin es nicht wagt, zu nahe unter Land zu segeln. Er wird gezwungen sein, weit nach Süden zu segeln, damit er nicht von unseren Schiffen vor Kapstadt entdeckt wird. So schneiden wir die Kurve vor ihm ab! Wer weiß, vielleicht sind wir nur noch zwanzig Meilen oder so hinter ihm?«
Von der Pucelle aus waren jetzt andere Schiffe zu sehen. Die meisten waren kleine, eingeborene Handelsschiffe. Aber sie passierten auch zwei britische Handelsschiffe, einen amerikanischen Walfänger und
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