Sharpes Trafalgar
anderen Schiffe, die offensichtlich hinter der Kimm lagen, übermittelt wurde. Und wenn sich andere Schiffe hinter der grauen Kimm befanden, konnte das nur bedeuten, dass die britische Flotte ebenfalls draußen war. Alle Flotten waren draußen. Die Linienschiffe Europas.
Alle auf Chases Achterdeck freuten sich. Die Revenant segelte weiter, ignoriert von den beiden Fregatten, die größere Fische zu braten hatten als einen einsamen Franzosen. Die Pucelle verfolgte ihn immer noch pflichtschuldig, doch dann tauchten wieder bunte Signalflaggen zwischen den Segeln der Euryalus auf, und jeder auf dem Achterdeck schaute zum Signal-Leutnant, der durch ein Fernrohr zur Fregatte spähte.
»Beeilung!«, murmelte Chase angespannt.
»Vizeadmiral Nelson lässt grüßen, Sir«, sagte Leutnant Connors und konnte kaum seine Aufregung verbergen. »Und wir sollen uns Nordnordwest halten und seiner Flotte anschließen.«
»Nelson!«, sagte Chase in andächtiger Ehrfurcht. »Nelson! Bei Gott, Nelson!«
Die Offiziere brachen in Jubel aus. Sharpe schaute erstaunt zu ihnen. Seit über zwei Monaten hatten sie die Revenant verfolgt und alles darangesetzt, sie einzuholen, und jetzt, nachdem ihnen befohlen worden war, die Jagd aufzugeben, jubelten sie? Das feindliche Schiff sollte einfach davonsegeln?
»Wir sind ein Geschenk des Himmels, Sharpe«, erklärte Chase. »In der Gefechtslinie. Natürlich will Nelson uns haben. Wir bedeuten für ihn zusätzliche Geschütze. Wir segeln in ein Gefecht, bei Gott. Nelson gegen die Franzosen und Spanier, dies muss der Himmel sein!«
»Und die Revenant? «
»Was macht es schon, wenn wir sie nicht schnappen?«
»Es könnte etwas für Indien ausmachen.«
»Das wird das Problem der Armee sein«, sagte Chase. »Verstehen Sie nicht, Sharpe? Die Flotte des Feindes ist draußen. Wir werden sie in Fetzen schießen! Keiner kann uns ankreiden, dass wir eine Verfolgungsjagd aufgeben, um uns einer Schlacht anzuschließen. Außerdem ist es Nelsons Entscheidung, nicht meine. Nelson, bei Gott! Jetzt sind wir in guter Gesellschaft!« Er drehte sich abermals kurz und ungeschickt wie im Tanz, bevor er sein Sprachrohr nahm, um die Befehle zu rufen, die die Pucelle zur britischen Flotte bringen würde, die jenseits der Kimm lag, doch bevor er auch nur Atem holen konnte, ertönte der Ruf eines Ausgucks, dass eine andere Flotte am nördlichen Horizont zu sehen war.
Chase rannte, gefolgt von einem halben Dutzend Offizieren, zu den Wanten des Großmastes. Sharpe kletterte langsamer zum Großmars hinauf. Oben angelangt, richtete er sein Fernrohr nach Norden, aber er sah nur die See und eine Masse von Wolken an der Kimm.
»Der Feind.« Captain Llewellyn der Seesoldaten war neben Sharpe auf dem Großmars eingetroffen. Ehrfürchtig stieß er hervor: »Mein Gott, es ist der Feind!«
»Und die Revenant wird sich ihnen anschließen!«, sagte Chase. »Das nehme ich jedenfalls an. Sie werden so froh über Montmorins Anwesenheit sein, wie Nelson über unsere ist.« Er wandte sich um und grinste Sharpe an. »Verstehen Sie? Vielleicht haben wir sie überhaupt nicht verloren!«
Der Feind? Sharpe konnte immer noch nichts außer der See und den Wolken sehen, aber dann wurde ihm klar, dass das, was er irrtümlich für einen Streifen schmutzig weißer Wolken am Horizont gehalten hatte, in Wirklichkeit eine Masse von Segeln war. An der Kimm segelte eine Schiffsflotte, deren Segel ineinander zu verschmelzen schienen. Gott allein wusste, wie viele Schiffe das waren. Chase hatte gesagt, dass die vereinigte Flotte von Frankreich und Spanien dort draußen war.
»Ich sehe dreißig«, sagte Leutnant Haskell unsicher, »vielleicht mehr.«
»Und die laufen Kurs nach Süden«, sagte Chase verwirrt. »Ich dachte, die Bastarde segeln nach Norden, um mit der Invasion zu beginnen?«
»Es sind französische Navigatoren«, sagte Leutnant Peel, der rundliche Mann, der beim Konzert so schön gesungen hatte. »Sie denken, Britannien liege vor Afrika.«
»Sie können meinetwegen nach China segeln, solange wir sie schnappen«, sagte Chase, schob sein Fernrohr zusammen und eilte die Püttingswanten hinab. Sharpe blieb auf dem Großmars, bis ihm eine Sturmbö mit Regenschleiern die Sicht auf die ferne Flotte nahm.
Die Pucelle ging auf westlichen Kurs, und die feindliche Flotte war bald außer Sicht. Chases Kurs brachte die Pucelle an zwei weiteren Fregatten vorbei, welche die schwache Kette von Nelsons Flotte mit dem Feind verband. Die Fregatten waren
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