Sharpes Weihnacht
spanischen Tinto vor sich zu haben, rannten die Männer los. Nun erschienen auch weitere Soldaten hinter ihnen, und die stürzten sich ebenfalls auf die unerwartete Beute. Mit ihren Bajonetten brachen die Männer die Korken aus den Fässern, dann kippten sie sie, um den Inhalt in ihre leeren Feldflaschen zu gießen. Eine kleine Gruppe versammelte sich um die ersten drei Fässer, und eine zweite, größere lief geradewegs zum zweiten Hindernis. »Wenn die wüssten, was sie da erwartet«, sagte Sharpe.
Zwei der Fässer in der zweiten Gruppe enthielten nichts als Steine, doch das dritte, das mittlere, war zur Hälfte mit Schießpulver gefüllt. Die andere Hälfte bestand aus Eisensplittern und scharfen Steinen, und darin steckte ein Stab, den Rifleman Hagman hineingeklopft hatte. Ein mit Schießpulver getränkter Stoffstreifen war darumgewickelt, der als langsam brennende Zündschnur diente. Keiner der Grenadiere bemerkte die kleinen Löcher, die in das Fass gebohrt worden waren, um das Feuer mit Luft zu versorgen, und sie sahen auch nicht die winzigen Rauchfahnen, die von der Zündschnur aufstiegen. Sie freuten sich einfach nur auf den Wein, und so schlugen sie den Korken weg und warfen das Fass um.
Eine Sekunde lang glaubte Sharpe, seine Falle habe versagt, doch dann verschwand das kleine Tal in grau-weißem Pulverrauch, durch den eine grelle Flamme zuckte. Der Rauch sammelte sich in dem Talkessel und verbarg das furchtbare Gemetzel, das die Explosion angerichtet hatte. Dann, als der feuchte Wind den Rauch nach Norden trieb, hallte der Donner den Hang herauf. Es war ein Geräusch, als hätte jemand die Pforten der Hölle zugeschlagen, und es hallte von den Talwänden wider. Ein halbes Dutzend Grenadiere war tot. Einer, dem die Explosion den Rücken aufgerissen hatte, lag ausgestreckt auf der Straße, während andere blutend umhertaumelten. Dann verhallte das Geräusch, und eine seltsame Stille senkte sich über die Hügel, nur unterbrochen von den Schreien der Verwundeten.
»Die armen Kerle«, sagte d’Alembord, denn der Rauch verzog sich allmählich, und er konnte die Leichen auf der Straße sehen. Dann eröffneten die Riflemen das Feuer.
Auf diese kurze Distanz konnten Sharpes Riflemen ihr Ziel gar nicht verfehlen. Sie kauerten hinter den Felsen auf beiden Seiten des Tals. Zuerst erledigten sie die überlebenden Offiziere, dann erschossen sie die Unteroffiziere, und nachdem die Grünjacken zwei Salven abgefeuert hatten, waren die Franzosen aus dem kleinen Tal verschwunden. Sie waren über die Kuppe nach unten geflohen und hatten ein Dutzend Tote und mehr als doppelt so viele Verwundete zurückgelassen.
Die Schlacht um Irati hatte begonnen.
In gewisser Hinsicht hatte Colonel Gudin ganz untypisch Glück gehabt, denn nicht ein Guerillero hatte seine Kolonne auf der dunklen Nordstraße behelligt, doch in jeder anderen Hinsicht hatte sein normales Pech Bestand gehabt. Zuerst war eines der Dragonerpferde in einer gefrorenen Straßenrille gestolpert und hatte sich das Bein gebrochen. An sich war das noch kein allzu großes Unglück, und das arme Tier wurde rasch von seinem Leid befreit, aber in der Dunkelheit der Nacht hatte der Vorfall zu einer längeren Verzögerung geführt. Schließlich war der Kadaver von der Straße geschleift worden, und die Kolonne war weitergetrottet. Es dauerte jedoch nicht lange, da nahmen die Dragoner der Vorhut eine falsche Abzweigung. Wenigstens war das nicht Gudins Schuld – ebenso wenig wie der Sturz des Pferdes–, aber es war typisch für sein Pech, und erst kurz vor Sonnenaufgang hatte die Kolonne wieder den richtigen Weg zum Pass hinauf gefunden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gudin sein Pferd bereits einem seiner Lieutenants gegeben, der an Fieber litt und kaum noch laufen konnte.
Colonel Caillou kochte vor Wut ob der Verzögerung. Er behauptete, in seinem ganzen Soldatenleben noch nie so viel Unfähigkeit gesehen zu haben. Jeder Dorftrottel würde das besser machen als Gudin, erklärte er. »Wir sollen um Mittag am Pass sein«, sagte er, »aber jetzt können wir schon von Glück sagen, wenn wir es bis zum Einbruch der Nacht schaffen!«
Gudin ignorierte Caillous Fluchen. Sie konnten ohnehin nichts anderes tun, als weiterzumarschieren, und dankbar dafür sein, dass die Guerilleros brav in ihren Betten schliefen. In drei Tagen, sinnierte Gudin, würde er wieder in einem Depot in Frankreich sein. In Sicherheit. Und solange am Pass keine Briten auf sie warteten, würde er auch
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