Sharpes Zorn (German Edition)
Schritt seitwärts, sodass er sie im Spiegel sehen konnte.
»Und treten Sie auch vom Spiegel weg«, sagte Caterina.
Sharpe gehorchte erneut.
»Jetzt können Sie sich wieder umdrehen«, sagte sie.
Caterina hatte sich eine blaue Seidenjacke angezogen, die sie bis zum Kinn zugeschnürt hatte, und lächelte Sharpe an. »Wenn man mir Frühstück und Wasser bringt, werden Sie dort drinnen warten müssen.« Sie deutete auf eine Tür neben dem Kleiderschrank.
»Du trinkst Wasser zum Frühstück?«, fragte Sharpe.
»Das ist für das Bad«, erklärte Caterina. Sie zog an einer Schnur, und irgendwo im Haus ertönte eine Glocke. »Ich werde auch das Feuer wieder schüren lassen«, fuhr sie fort. »Mögen Sie Schinken? Brot? Wenn die Hühner gelegt haben, dann werden wir auch Eier bekommen. Ich werde ihnen sagen, dass ich sehr hungrig bin.« Sie lauschte, bis sie Schritte auf der Treppe hörte. »Rasch! Verstecken Sie sich«, befahl sie Sharpe.
Sharpe ging in einen kleinen Raum, der voll mit Caterinas Kleidern war. Auf einem Spiegeltisch lagen Salben, Schönheitsflecken und andere Kosmetika. Hinter dem Spiegel befand sich ein Fenster, und als Sharpe in die klare Luft hinausschaute, sah er, wie die Flotte die Anker lichtete und nach Norden aus der Bucht segelte. Die Armee war aufgebrochen. Sharpe schaute den Schiffen hinterher und dachte bei sich, dass eigentlich dort sein Platz war, bei den Männern, den Musketen, den Kanonen und den Pferden in den Laderäumen. Dort zogen Männer in den Krieg, und wo war er? Im Ankleideraum einer Hure.
Eine halbe Stunde später wurde das Frühstück gebracht. Das Feuer brannte wieder, und in der Wanne dampfte das Wasser. »Die Diener hassen es, mir ein Bad einzulassen«, sagte Caterina, »denn das ist viel Arbeit. Aber ich bestehe darauf, jeden Tag zu baden. Das Wasser wird allerdings noch zu heiß sein, also kann das warten. Essen Sie was.«
Sharpe war ausgehungert. Er setzte sich aufs Bett und aß, und zwischen zwei Bissen stellte er Fragen. »Wann hast du – wie hieß das noch mal – verlassen? Florida?«
»Mit sechzehn. Meine Mutter ist gestorben. Daddy war schon lange davor weggerannt. Ich wollte dort nicht bleiben.«
»Warum nicht?«
»In Florida?« Die Vorstellung ließ Caterina schaudern. »Das ist nur ein schwüler Sumpf voller Schlangen, Alligatoren und Indianer.«
»Und wie bist du dann hierhergekommen?«
»Mit dem Schiff«, antwortete Caterina und schaute mit ihren großen Augen ernst drein. »Zum Schwimmen war das zu weit.«
»Allein?«
»Gonzalo hat mich rübergebracht.«
»Gonzalo?«
»Der Mann, der gestorben ist.«
»Der Mann, der die Briefe verkaufen wollte?«
Sie nickte.
»Und seit wann hast du für Gonzalo gearbeitet?«
»Erst in Madrid, dann in Sevilla und jetzt hier.«
»Und überall das gleiche Spiel?«
»Spiel?«
»So tun, als wärst du von hoher Geburt, Briefe einsacken und sie verkaufen.«
Sie lächelte. »Wir haben viel Geld gemacht, Captain Sharpe. Mehr, als Sie sich je erträumen könnten.«
»Ich muss nicht träumen, Darling. Ich habe einmal die Juwelen eines indischen Königs gestohlen.«
»Dann sind Sie also reich, ja?«, hakte Caterina mit leuchtenden Augen nach.
»Ich habe alles verloren.«
»Das war sehr sorglos von Ihnen, Captain Sharpe.«
»Und? Was wirst du jetzt ohne Gonzalo tun?«
Sie legte die Stirn in Falten. »Ich weiß es nicht.«
»Bei Henry bleiben? Als seine Mätresse?«
»Er ist sehr gut zu mir«, sagte Caterina, »aber ich glaube nicht, dass er mich nach London mitnehmen wird. Und irgendwann wird er doch zurückgehen, oder?«
»Ja«, bestätigte Sharpe.
»Also werde ich mir jemand anderen suchen müssen«, sagte sie, »aber nicht Sie.«
»Nicht mich?«
»Jemanden mit Geld«, sagte sie und lächelte.
»Vor allem musst du dich von Padre Salvador Montseny fernhalten«, bemerkte Sharpe.
Caterina schauderte erneut. »Und er ist wirklich ein Mörder? Ein Priester?«
»Er ist richtig übel, Darling, und er will die Briefe. Er wird dich töten, um sie zu bekommen.«
»Aber Sie wollen die Briefe doch auch.«
»Ja, will ich.«
»Und Pumps sagt, Sie seien auch ein Mörder.«
»Bin ich.«
Caterina schien kurz über ihr Dilemma nachzudenken, dann nickte sie in Richtung Wanne. »Es ist Zeit, sich zu waschen«, sagte sie.
»Willst du, dass ich wieder in das Zimmer gehen?«, fragte Sharpe.
»Natürlich nicht«, antwortete sie. »Das Bad ist für Sie. Sie stinken. Ziehen Sie sich aus, Captain Sharpe, dann schrubbe
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