Sharpes Zorn (German Edition)
einem Offiziersburschen zu. »Sie wollen nach Conil marschieren?«, verlangte er vorwurfsvoll zu wissen.
»Ah, Conil!« Lapena schnippte mit den Fingern und bedeutete einem Diener, einen weiteren Stuhl aus dem Bauernhaus zu bringen. »Ich hatte mal einen Unteroffizier aus Conil«, sagte er. »Er hat immer vom Sardinenfang erzählt. Was für eine Ausbeute sie dort hatten!«
»Warum Conil? Haben Sie Hunger auf Sardinen?«
Lapena schaute Sir Thomas traurig an. »Ich glaube, Sie haben Capitaine Brouard noch nicht kennengelernt. Er hat uns natürlich sein Ehrenwort gegeben.« Der große, hagere Franzose, der noch immer seinen Degen trug, hatte ein kluges Gesicht. Seine wässrigen Augen waren halb hinter dicken Brillengläsern verborgen. Er stand auf, um sich vorzustellen, und verneigte sich vor Sir Thomas.
Sir Thomas ignorierte ihn. »Was ist der Sinn davon, nach Conil zu marschieren?«, verlangte er zu wissen, stützte die Hände auf den Tisch und beugte sich zu Lapena.
»Ah, das Hühnchen!« Lapena lächelte, als eine Frau ein Brathähnchen aus dem Bauernhaus brachte und auf den Tisch stellte. »Garay, würden Sie es bitte tranchieren?«
»Wenn Sie erlauben, Exzellenz«, bot Brouard sich an.
»Selbstverständlich, Capitaine«, sagte Lapena und übergab Messer und Gabel in einer großspurigen Geste an den Franzosen.
»Wir haben Schiffe angeheuert«, knurrte Sir Thomas und ignorierte den Stuhl, den man neben Lapena an den Tisch gestellt hatte, »und wir haben gewartet, bis unsere Flotte versammelt war. Wir haben gewartet, bis der Wind zu unseren Gunsten wehte, und wir sind nach Süden gesegelt. Wir sind in Tarifa gelandet, weil wir so in den Rücken der französischen Stellungen kommen konnten. Und jetzt marschieren wir nach Conil? Dafür hätten wir noch nicht einmal einen Tag gebraucht, geschweige denn Schiffe!«
Lapenas Adjutanten schauten Sir Thomas empört an. Brouard tat so, als würde er die Konversation ignorieren. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Vogel, den er mit bemerkenswertem Geschick zerlegte. Er hatte ihn tranchiert und schnitt nun eine perfekte Scheibe nach der anderen ab.
»Manchmal ändern sich die Dinge nun einmal«, erklärte Lapena vage.
»Was hat sich denn geändert?«, verlangte Sir Thomas zu wissen.
Lapena seufzte. Er gab einem seiner Adjutanten ein Zeichen, der jedoch erst nach kurzem Nachdenken verstand, dass sein Herr und Meister eine Landkarte haben wollte. Geschirr wurde beiseitegeschoben und die Karte auf den Tisch gelegt. Sir Thomas fiel auf, dass diese Karte wesentlich besser war als die, mit denen die Spanier ihn versorgt hatten. »Wir sind hier«, sagte Lapena und legte eine Bohne auf eine Stelle unmittelbar nördlich von Vejer, »und der Feind ist hier.« Er legte eine weitere Bohne auf Chiclana. »Nun gibt es drei Straßen, über die wir uns dem Feind nähern können. Die erste und längste ist die in Richtung Osten durch Medina Sidonia.« Wieder legte er eine Bohne auf die Karte. »Aber wir wissen, dass die Franzosen dort eine Garnison haben. Stimmt das nicht, Monsieur?«, wandte er sich an Brouard.
»Eine ganz hervorragende Garnison sogar«, bestätigte Brouard und trennte mit dem Geschick eines Feldschers die Keule ab.
»Auf dieser Straße würden wir uns also zwischen Maréchal Victors Armee hier«, Lapena berührte die Bohne in Chiclana, »und der Garnison hier befinden.« Er deutete auf Medina Sidonia. »Der Garnison können wir jedoch aus dem Weg gehen, indem wir die zweite Straße nehmen. Die führt von hier aus nach Norden und nähert sich Chiclana von Süden her. Es ist eine schlechte Straße. Gewunden. Und sie führt in diese Hügel dort hinein.« Wieder deutete er auf die Karte. »Und die Franzosen werden dort Wachtposten haben. Stimmt das nicht, Monsieur?«
»Viele«, antwortete Brouard und löste das Gabelbein aus dem Fleisch. »Mon Général, Sie sollten Ihren Koch anweisen, das Gabelbein vor dem Braten zu entfernen. Das erleichtert einem hinterher die Arbeit ungemein.«
»Gut zu wissen«, sagte Lapena und schaute wieder zu Sir Thomas. »Diese Wachtposten werden Maréchal Victor über unseren Vormarsch informieren, und er wird uns mit einer weit überlegenen Streitmacht entgegentreten. Sir Thomas, diese Straße kann ich beim besten Willen nicht nehmen – nicht, wenn wir den Sieg haben wollen, für den wir beide beten. Aber glücklicherweise gibt es noch eine dritte Straße, eine Straße, die am Meer entlangführt. Hier«, Lapena hielt kurz inne
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