Sharpes Zorn (German Edition)
ihn. Sie liebten ihn nicht, wie die französischen Soldaten Napoleon liebten, aber der Kaiser war auch ein Politiker, der genau wusste, wie er die Zuneigung seiner Männer gewinnen konnte. Sie beteten ihn an. Und Wellington? Wellington wollte nicht angebetet werden. Er hat selbst immer gesagt, dass er nicht wisse, wie er mit einem einfachen Soldaten sprechen sollte. Er war ein unverhohlener Snob, und doch mochten seine Männer ihn, denn er brachte ihr Leben nie unnötig in Gefahr. In der Schlacht beschützte er sie, für gewöhnlich indem er sie hinter einem Hang positionierte, wo der Feind sie nicht sehen konnte, und die Soldaten in seiner Armee wussten, dass er ihr Leben nicht einfach wegwerfen würde. Nach Austerlitz beklagte ein französischer General die riesige Zahl gefallener Franzosen, worauf Napoleon ihm einen verächtlichen Blick zuwarf. »Die Frauen von Paris«, sagte Napoleon, »können diese Männer in einer Nacht ersetzen.« Wellington hätte so etwas nie gesagt.
Nur bei Belagerungen verlor Wellington seine Fähigkeit, die Verluste auf ein Minimum zu reduzieren. Der Festungskampf war nie seine starke Seite. In der Schlacht tat er sein Bestes, um seine Männer zu beschützen, weil er wusste, wie schwer es war, Verluste zu ersetzen. Deshalb setzte er sie erst im letztmöglichen Moment dem feindlichen Feuer aus. Er wurde einmal gefragt, was das größte Kompliment gewesen sei, das er je bekommen hatte, und er erzählte, wie er nach der Schlacht von Albuera die Verwundeten besucht hatte. Das war eine furchtbare Schlacht gewesen, bei der General Beresford den Oberbefehl über die Briten gehabt hatte, und sie hätte fast in einer Katastrophe geendet. Die britischen Verluste waren entsetzlich hoch. »Der Feind«, sagte der französische Kommandeur hinterher, »war schon geschlagen, aber er wusste es nicht.« Die Schlacht wurde schlussendlich doch noch gewonnen, aber zu einem ungeheuer hohen Preis, und zwei Tage später besuchte Wellington die Verwundeten. Wie üblich war er eher schmallippig, wenn er mit einfachen Soldaten sprach. Er kam in einen großen Raum in einem Konvent, wo Dutzende Rotröcke sich vor Schmerzen wanden. Später behauptete er, nicht gewusst zu haben, was er hätte sagen sollen, also räusperte er sich einfach und erklärte lahm, dass es ihm leidtue, so viele von ihnen hier zu sehen. »Mylord«, meldete sich ein verwundeter Corporal zu Wort, »wären Sie auf dem Schlachtfeld gewesen, dann würden jetzt nicht so viele von uns hier liegen.« Und das war in der Tat ein großes Kompliment.
Eine der Grundlagen fast aller Sharpe-Romane ist die Beziehung zwischen Wellington und Sharpe. Das sind keine Männer, die sich instinktiv mögen. Der Herzog ist kalt und wortkarg, und Männer wie Sharpe missfielen ihm schon immer. Er mochte es nicht, wenn einfache Soldaten in den Offiziersstand erhoben wurden. »Die neigen stets zum Trinken«, pflegte er abschätzig zu sagen. Sharpe wiederum verachtet Männer wie Wellington, die mit unzähligen Privilegien geboren worden sind, mit Geld und mit Verbindungen. Sharpe kann sich den Weg die Karriereleiter hinauf nicht erkaufen, doch genau so hat Wellington seine ersten Kommandos bekommen. Aber die beiden Männer wurden untrennbar miteinander verbunden, als Sharpe Wellington das Leben rettete. Der General ist sich durchaus bewusst, dass er sich dankbar zeigen muss, wenn auch widerwillig. Sharpe wiederum, der Wellington eigentlich verachten sollte, bewundert ihn stattdessen. Er erkennt einen guten Soldaten, wenn er einen sieht. Geburt und Privilegien haben nichts damit zu tun, Effizienz ist alles. Natürlich werden sie nie Freunde sein. Es wird stets eine gewisse Distanz zwischen ihnen bestehen, aber sie brauchen einander. Ich glaube sogar, dass sie sich mögen, doch beide wissen sie nicht, wie sie die Kluft zwischen ihnen überbrücken sollen, um dieser Zuneigung Ausdruck zu verleihen. Und Sharpe macht immer jene Art von übertrieben dramatischen Dingen, die der Herzog missbilligt. Wellington zog solide Offiziere vor, die ruhig und unauffällig ihre Pflicht erfüllten, und natürlich hatte er auch recht damit. Sharpe passt da so gar nicht rein. Er ist das exakte Gegenteil davon, aber auf dem Schlachtfeld auch sehr nützlich.
Ich habe immer geglaubt, dass Waterloo das Ende der Sharpe-Serie sein würde. Ich hatte elf Romane geschrieben, genauso viele wie in Forresters Hornblower-Serie, und ich hatte Sharpe von Talavera nach Waterloo geführt, und jetzt herrschte
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