Sharpes Zorn (German Edition)
hat«, vermutete Henry Wellesley, »und das er nicht wollte.«
»Ich bin sicher, das stimmt nicht, Sir«, erwiderte Sharpe.
Wellesley lächelte. »Mein Bruder hat viele Tugenden, doch seiner Zuneigung Ausdruck zu verleihen gehört nicht dazu. Aber wenn es Sie tröstet, Sharpe, er hat Ihre Fähigkeiten oft lobend erwähnt.«
»Danke, Sir«, sagte Sharpe verlegen.
Der Botschafter seufzte und zeigte damit an, dass der höfliche Teil des Gesprächs vorüber war. Er zögerte, als suche er nach den richtigen Worten, dann öffnete er eine Schublade und fand einen kleinen Gegenstand, den er auf den Tisch warf. Es war eine dieser Knochenbroschen mit den Hörnern. »Wissen Sie, was das ist, Sharpe?«
»Ich fürchte ja, Sir.«
»Ich habe mir schon gedacht, dass Willie Russell es Ihnen erzählen würde. Und was ist damit?« Er schob eine Zeitung über den Tisch. Sharpe nahm sie und sah, dass es sich um den El Correo de Cádiz handelte, doch es war zu dunkel im Raum, als dass er den schlechten Druck hätte lesen können. Er legte die Zeitung wieder hin. »Haben Sie das schon gesehen?«, fragte der Botschafter.
»Nein, Sir.«
»Das erschien heute auf den Straßen, und es heißt darin, ich hätte einen darin veröffentlichten Brief an eine Dame geschrieben. In dem Brief erzähle ich ihr, dass die Briten planen, Cadiz zu annektieren und in ein zweites Gibraltar zu verwandeln. Zwar wird mein Name nicht ausdrücklich genannt, aber in einer so kleinen Stadt wie Cadiz ist das auch nicht nötig. Und ich muss Ihnen ja wohl kaum sagen, dass die Regierung Seiner Majestät keine derartigen Pläne mit Cadiz hat.«
»Dann ist der Brief also eine Fälschung, Sir?«, fragte Sharpe.
Henry Wellesley hielt kurz inne. »Nicht ganz«, antwortete er vorsichtig. Jetzt schaute er Sharpe in die Augen, wandte sich dann aber rasch wieder ab und starrte in den dunklen Garten. Er zog an seiner Zigarre. »Kann ich davon ausgehen, dass Willie Russell Ihnen von meinen Umständen erzählt hat?«
»Ja, Sir.«
»Dann will ich jetzt auch nicht näher darauf eingehen, sondern sage lediglich, dass ich hier vor ein paar Monaten eine Dame kennengelernt habe, von der man mich glauben machte, sie sei von edler Geburt. Sie kam aus den spanischen Kolonien und versicherte mir, ihr Vater sei wohlhabend und respektabel, doch das stimmte nicht. Und bevor ich die Wahrheit herausfinden konnte, war ich dumm genug, meine Gefühle für sie einer Reihe von Briefen anzuvertrauen.« Wieder hielt er kurz inne. Er starrte noch immer aus dem Fenster und wartete darauf, dass Sharpe etwas sagte, doch der schwieg. »Diese Briefe sind ihr gestohlen worden«, fuhr der Botschafter schließlich fort, »und es war nicht ihre Schuld.« Er drehte sich um und schaute Sharpe trotzig an, als erwarte er halb, dass dieser ihm nicht glaubte.
»Und der Dieb, Sir, hat dann versucht, Sie zu erpressen?«
»Genau«, antwortete Henry Wellesley. »Der Bastard hat ein Arrangement getroffen, um mir die Briefe zu verkaufen, doch mein Bote wurde ermordet. Er und seine beiden Gefährten. Das Geld ist natürlich verschwunden, und die Briefe befinden sich in der Hand unserer politischen Feinde.« Wellesley klang verbittert und schlug die Zeitung mit der Hand weg. »Sharpe, Sie müssen wissen, dass es Männer in Cadiz gibt, die ernsthaft glauben, dass Spaniens Zukunft um ein Vielfaches rosiger aussehen würde, wenn sie mit Napoleon Frieden schließen. Sie glauben, dass Großbritannien der schlimmere Feind ist. Sie glauben, dass wir Spaniens Kolonien vernichten und seinen Atlantikhandel übernehmen wollen. Sie glauben jedoch nicht, dass es meinem Bruder gelingen wird, die Franzosen aus Portugal zu vertreiben, von Spanien ganz zu schweigen, und sie arbeiten mit Feuereifer an einer politischen Zukunft ohne eine Allianz mit Großbritannien. Meine Aufgabe ist es nun, sie vom Gegenteil zu überzeugen, und diese Briefe machen das viel schwerer – vielleicht sogar unmöglich.« Erneut legte er eine kurze Pause ein, als erwarte er einen Kommentar von Sharpe, doch der Rifleman saß einfach nur still da und hörte zu. »Lord Pumphrey hat mir erzählt, Sie seien ausgesprochen fähig«, sagte der Botschafter leise.
»Das war sehr freundlich von ihm, Sir«, erwiderte Sharpe hölzern.
»Und er sagt, Sie hätten eine pikante Vergangenheit.«
»Ich bin nicht sicher, was er damit meint, Sir.«
Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Henry Wellesleys Gesicht. »Verzeihen Sie mir, wenn ich mich irre, und seien Sie
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