Sharpes Zorn (German Edition)
einem verdammten Narren gemacht. Hat sie die Briefe?«
»Ich glaube, dass sie zumindest ein paar davon hat, Sir.«
»Also suchen Sie sie, ja?«
»Ja, Sir.«
»Aber Sie wollen sie doch nicht mit meinen Granaten in die Luft jagen, oder?«
»Nein, Sir.«
»Das will ich doch hoffen, denn sie ist wirklich ein hübsches kleines Ding. Ich habe sie einmal mit ihm gesehen, und Henry sah aus wie ein Kater, der eine Schüssel mit Sahne gefunden hat. Und sie sah auch glücklich aus. Ich bin überrascht, dass sie ihn verraten hat.«
»Lord Pumphrey sagt, das sei ihr Zuhälter gewesen, Sir.«
»Und was denken Sie?«
»Ich denke, sie hat Gold gerochen, Sir.«
»Henry Wellesley«, erklärte Sir Thomas und ignorierte Sharpes Worte, »verzeiht leicht. Er ist einfach diese Art von Mann. Er würde mich nicht überraschen, wenn er noch immer etwas für sie empfindet. Aber was sage ich da. Ich plappere vermutlich nur. Ich habe Ihre Gesellschaft letzte Nacht sehr genossen, Sharpe. Ich hoffe, wenn Sie Ihre Arbeit rasch erledigt haben, werden Sie noch ein, zwei Spiele mit uns spielen. Einer meiner Schreiber ist ein verdammt guter Werfer, aber der verfluchte Kerl hat sich den Fuß verdreht. Und ich nehme an, Sie werden uns die Ehre erweisen und mit uns nach Süden segeln. Dann können wir auch ein paar Runden mit Maréchal Victor spielen, hm?«
»Das würde mir gefallen, Sir«, sagte Sharpe, obwohl er ganz genau wusste, dass das nicht der Fall sein würde.
Sharpe ging auf die Suche nach Harper und den anderen Riflemen. Anschließend suchte er sich einen billigen Schneider in San Fernando und kaufte seinen Männern mit dem Geld der Botschaft Zivilkleidung, und schließlich gingen sie unter dem Rauch der brennenden Flöße, der wie eine dunkle Wolke über der Bucht hing, in die Stadt.
Und die Wolke war auch noch am Nachmittag da, und zwölf Granaten waren in Kisten, deren Inhalt als Kohlköpfe deklariert war, in der Botschaft eingetroffen.
KAPITEL 6
Die nächsten drei Tage verliefen ereignislos. Der Wind drehte auf Ost und brachte einen kräftigen Regen, der die brennenden Feuerflöße löschte, doch der Rauch hing immer noch über dem Marschland der Trocadero-Halbinsel und trieb über die Bucht zur Stadt, wo Lord Pumphrey auf eine Botschaft von den Besitzern der Briefe wartete und der Botschafter sich vor der nächsten Ausgabe des El Correo de Cádizfürchtete. Doch nichts von beidem erschien. »Die Zeitung wird heutzutage nur noch selten veröffentlicht«, erklärte James Duff, der britische Konsul in Cadiz, dem Botschafter. Duff lebte schon seit fast fünfzig Jahren in Spanien und war seit mehr als dreißig Konsul. Einige Leute behaupteten, Duff sei inzwischen sogar spanischer als die Spanier, und selbst als zwischen Spanien und Großbritannien Krieg geherrscht hatte, hatte man ihm die Schande der Ausweisung erspart und ihm erlaubt, weiter seinen Weinhandel zu betreiben. Nun da die Botschaft gezwungen war, in Cadiz Zuflucht zu suchen, bedurfte es keines Konsuls in der Stadt mehr, doch Henry Wellesley wusste die Weisheit und den Rat des älteren Mannes zu schätzen. »Núñez, der Besitzer der Zeitung, hat finanzielle Probleme, glaube ich«, fuhr Duff fort. »Unter den gegenwärtigen Umständen hat er keine Leser außerhalb der Stadt mehr, und was sollte er auch drucken? Nachrichten über die Cortes? Jeder weiß, was dort geschieht, lange bevor Núñez die Seiten auch nur setzen kann. Ihm bleiben nur Gerüchte aus Madrid, Lügen aus Paris und Listen ein- und auslaufender Schiffe.«
»Und doch will er kein Geld von uns nehmen?«, fragte Wellesley.
»Nicht einen Penny«, antwortete Duff. Der Konsul war hager, elegant und listig. Er besuchte den Botschafter fast jeden Morgen und machte Henry Wellesley jedes Mal ein Kompliment für seinen Sherry, den Duff selbst der Botschaft verkaufte. Aufgrund der französischen Besetzung Andalusiens gingen seine Vorräte jedoch allmählich zuneige. »Ich nehme an, er steht bei jemand anderem auf der Lohnliste«, erklärte Duff.
»Und Sie haben ihm ein großzügiges Angebot unterbreitet?«, hakte der Botschafter nach.
»Ganz wie Sie es gewünscht haben, Exzellenz«, antwortete Duff. Er hatte Núñez in Wellesleys Namen aufgesucht und ihm Geld angeboten, wenn er darauf verzichtete, weitere Briefe abzudrucken. Das Angebot war abgelehnt worden, und so hatte Duff eine außergewöhnlich hohe Summe für die Zeitung als Ganzes geboten. »Ich habe ihm zehnmal mehr geboten, als das Haus, die
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