Sharras Exil - 17
katastrophale Rolle gespielt hatte, war wie
alle Bürgerkriege ein Symptom, dass in der Kultur etwas ganz
und gar nicht in Ordnung war, und kein aus dem Zusammenhang
gelöstes Ereignis. Die Aldarans waren nicht die Einzigen auf
Darkover, die sich von dem Terranischen Imperium hatten
verlocken lassen. Die Ridenow-Brüder hatten es beinahe schon
aufgegeben, wenigstens nach außen hin Loyalität gegenüber
den Comyn zur Schau zu tragen … und nicht sie allein. Die Comyn hatten sich, zumindest offiziell, gegen die Verlockungen der Terraner gestemmt, die versprachen, das Leben auf unserer Welt mit Hilfe ihrer Technologie und der Unterstützung eines sternenumspannenden Imperiums leichter und einfacher zu machen. Ich hatte mich beiden Seiten als Sündenbock geradezu angeboten. Da war einmal mein terranisches Blut und meine eine Hand und zum anderen die Tatsache, dass Kennard, obwohl er auf Terra erzogen worden war, dem Imperium den Rücken gekehrt hatte und einer der festesten Stützen konservativer Comyn-Politik geworden war. Vielleicht liegt es in der Natur der Sache, dass alle Söhne gegen ihre Väter rebellieren, aber bei wenigen steigert sich die persönliche Rebellion zu einer solchen Tragödie oder beschwört eine solche Katastrophe auf ihr eigenes Haupt oder ihre Familien herauf. Ich war in die Rebellion hineingezogen worden, und mein sehr starkes Laran, in Arilinn geschult, war in den Dienst Beltrans und … Ich zuckte zusammen. Den Namen konnte ich nicht einmal vor mir selbst aussprechen. Meine gute Hand griff nach der Matrix
und ließ sie wieder los, als habe sie sie verbrannt.
Sharra. Tobend, verzehrend, eine Stadt in Flammen … Zum Teufel, was tat ich hier, verfolgt von einem doppelten
Spuk, beherrscht von meines Vaters Stimme …
Lerrys Ridenow stand auf und bat Lord Edric um die
Erlaubnis zu sprechen. Edric gab sie ihm mit einer kaum
wahrnehmbaren Handbewegung. Lerrys sagte: »Gestattet mir,
meine Herren, die Meinung zu vertreten, dass dieser ganze
Streit vielleicht unnötig ist. Die Zeiten sind vorbei, in denen
Bündnisse durch Heiraten mit unwilligen Frauen besiegelt
werden konnten. Lady Callina ist Bewahrerin und das
unabhängige Oberhaupt einer Domäne. Wenn Aldaran
wünscht, in die Comyn einzuheiraten …«
»Das würde dir gefallen, was?«, fragte Merryl. »Schließ diese prächtige Allianz für jemanden von euch und lass die Aldarans in einer Reihe mit den übrigen Lakaien antreten, die
den Terranern den Arsch …«
»Genug!« Callina sprach scharf, aber ich erkannte die
schwachen Farbflecke auf ihren Wangen. Sie war zu alt und
zu wohlerzogen, um ihm der Obszönität wegen einen direkten
Vorwurf zu machen; sie sagte nur: »Ich hatte dir keine Erlaubnis
gegeben zu sprechen!«
»Zandrus Höllen!«, brüllte Merryl. »Wollt Ihr dies Weib
zum Schweigen bringen, Lord Hastur? Sie weiß gar nichts
über derartige Angelegenheiten. Sie hat ihr Leben
eingeschlossen in diesem und jenem Turm verbracht -jetzt ist
sie hier als Marionette der alten Ashara. Und wir sollen bei
der blödsinnigen Farce mitmachen, dass eine hinter Mauern
lebende professionelle Jungfrau überhaupt etwas von der
Leitung ihrer Domäne versteht? Unsere Welt befindet sich
am Rand der Zerstörung. Sollen wir dasitzen und einem
Mädchen zuhören, das uns vorplärrt, sie wolle diesen oder
jenen nicht heiraten?«
Callina war weiß bis in die Lippen. Sie trat vor, die Hand an
die Kehle gelegt, wo ihre Matrix verborgen war. Sie sprach
sehr leise, aber ihre Stimme trug bis in die obersten Reihen der
Kristallkammer. »Merryl, die Herrschaft über die Domäne
steht hier nicht zur Debatte. Es mag eine Zeit kommen, da du
den Streit wünschst. Ich könnte meine Stellung vielleicht
nicht mit Waffengewalt halten - aber wenn ich muss, werde
ich alle anderen Mittel einsetzen.« Sie legte die Hand auf die
Matrix, und mir kam es vor, als ertöne ein schwaches Grollen
wie entfernter Donner. Ohne die geringste Notiz davon zu
nehmen, wandte Callina ihr Gesicht Gabriel zu und sagte:
»Mein Lord Kommandant, Ihr seid damit beauftragt, den Frieden
in dieser Kammer zu erhalten. Tut Eure Pflicht.«
Gabriel legte die Hand auf Merryls Arm und sprach leise und eindringlich zu ihm. Trotz der telepathischen Dämpfer machte es mir keine Mühe, dem allgemeinen Sinn von Gabriels Worten zu folgen: Wenn Merryl sich nicht hinsetze und den Mund halte, werde er ihn mit Gewalt hinausführen lassen. Mit zusammengebissenen Zähnen sah Merryl, als suche er Unterstützung, erst zu
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