Sharras Exil
Galaxis mitgeschleppt, weil ich es nicht zurücklassen konnte, und jetzt rief es mich, zog mich zu sich … mir war kaum bewusst, dass ich meinen Dolch zurück in die Scheide gleiten ließ. Mein Platz war an Kadarins Seite, ich musste der Göttin Kraft leihen, all meine Wut, mein Entsetzen, meine Enttäuschungen durch das Schwert in sie einströmen lassen … meine Hand wanderte zu der Matrix an meinem Hals. Eine Frau, an deren Namen ich mich nicht erinnerte, starrte mich mit großen blauen Augen an … Sie flüsterte einen Namen, den ich nicht länger mit meiner Person in Verbindung brachte, aber sie bedeutete mir nichts, und ein junger Mann mit dem Gesicht eines Erbfeindes … Hastur, er war Hastur … der Erbfeind, der Erste, der fallen musste! Seine Hand umklammerte meinen Arm. Ich stieß ihn mit unheimlicher Kraft von mir, so dass seine Knie einknickten und er zu Boden fiel. Und die ganze Zeit hämmerte dies Gemisch aus Hass und Furcht, aus Liebe und Abscheu in meinem Gehirn … Ich tat einen Schritt, dann noch einen auf die Stelle zu, wo die Göttin über mir flammte.
Ich muss zurück … zurück zu Sharra, zurück zu der Unsterblichen, die sich auf ewig in Flammen über mir erhebt, muss mich in dem reinigenden Feuer verbrennen … sie war da, Marjorie, sie rief mich aus den Flammen Sharras heraus, diese zwingenden bernsteinfarbenen Augen, diese Kaskaden roten Haars, das wilde Funkenschauer versprühte, und der Geruch nach brennendem Stoff, wie ich nach ihr brannte mit Lust und Entsetzen …
Der Mann, von dem ich wusste, dass er mein Erbfeind war, packte mich jetzt mit beiden Händen, während ich mich Schritt für Schritt durch die Schreie der lärmenden Menge dahin durchkämpfte, wo Sharra brannte …
»Nein, verdammt noch mal, Lew«, keuchte er. »Du wirst nicht gehen, und wenn ich dich zuvor töten und dir einen sauberen Tod geben muss …« Er stach nach mir mit dem Dolch, zog eine blutige Linie über meinen guten Arm. Der Schmerz ließ mich wanken, ich kam halbwegs wieder zu mir, erkannte, was geschah.
»Regis – hilf mir«, hörte ich mich stöhnen.
»Deine Matrix – gib sie mir!« Ehe ich ihn daran hindern konnte, schnitt er mit dem Dolch den Riemen durch, an dem ich meine Matrix um den Hals trug. Mein Körper spannte sich in Erwartung der unerträglichen Qual … einmal hatte Kadarin mir die Matrix abgerissen, und ich war in Krämpfe verfallen … aber noch durch den Lederbeutel und die seidene Umhüllung spürte ich die Berührung …
Das Bild Sharras schwankte, sank … Ich wusste nicht, was Regis tat, aber es war, als löse er Faden um Faden den Ruf Sharras aus meinem Geist. Ich hörte eine immer leiser werdende Stimme … Zurück zu mir, zurück, nimm Rache an all denen, die dich verachtet und geschmäht haben … zurück, zurück …
… nach Darkover und kämpfe für deines Bruders Rechte und deine eigenen … Doch jetzt war es meines Vaters Stimme; ich hätte nie gedacht, dass ich einmal froh sein würde, diese Geisterstimme in meinem Kopf zu vernehmen. Jetzt brachte sie mich völlig wieder zu mir; es war wie ein Sturz in eiskaltes Wasser. Dann verstummte auch sie, und ich stand da und sah zu Kadarin und Thyra hin, das Sharra-Schwert in Kadarins Hand, Thyras Haar immer noch sprühend von den letzten Funken der ersterbenden Flamme.
Gabriel löste sich von Javanne und trat schnell vor Kadarin, das Schwert in der Hand. Vielleicht sah er nichts anderes, als dass hier ein gesuchter Verbrecher eingedrungen war. Ich habe nie erfahren, ob das Feuerbild wirklich gewesen ist oder ob ich allein es gesehen habe. Kadarin wirbelte herum, schob Thyra vor sich. Gabriel rief nach der Garde, und die jungen Kadetten strömten aus allen Ecken des Saals zu ihm. Ich zog von neuem meinen Dolch und wollte mich anschließen, dann blieb ich wie gelähmt stehen …
Die Luft war voll von kalt leuchtendem Licht. Auch Kadarin und Thyra waren erstarrt, und Kathie war zwischen ihnen eingefangen.
Sie berührten sie nicht körperlich, aber irgendetwas schüttelte sie, als habe ein unsichtbares Tier sie in seinen Klauen … es warf sie beiseite und stürzte sich auf Linnell. Linnell wurde festgehalten, als sei sie an Händen und Füßen gebunden. Ich glaube, sie schrie, aber selbst die Vorstellung eines Lauts war in der sich verdichtenden Dunkelheit um Kadarin und Thyra erstorben. Linnell brach zusammen, griff hilflos in die leere Luft und schlug dann schwer auf, als habe das Tier sie gebeutelt und fallen gelassen.
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