Sharras Exil
böse an, dass Dio erbebte. Sie wünschte, sie hätte nicht davon angefangen. Das war kein Mann, mit dem man flirten und nette Redensarten austauschen konnte! Er maß sie mit einem mörderischen Blick, aber trotzdem schob er seinen Stuhl zurück.
»Ich sehe, dass mein Vater es wünscht, Damisela . Wollt Ihr mir die Ehre geben?« Die harte Stimme sprach ganz höflich – man durfte nur nicht zu tief in die Augen sehen. Er bot ihr seinen guten Arm. »Ihr werdet mir verzeihen müssen, wenn ich Euch auf die Füße trete. Ich habe seit vielen Jahren nicht mehr getanzt. Es ist eine auf Terra nicht sehr hoch bewertete Kunst, und ich habe mich während meines Aufenthalts dort nicht an Orten aufgehalten, wo das Tanzen üblich war.«
Verdammt soll er sein, dachte Dio, das ist Arroganz! Er war nicht der einzige verkrüppelte Mann im Universum, auch nicht auf diesem Planeten und nicht in diesem Saal – sein eigener Vater war so lahm, dass er kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte, und gab das ohne Scheu zu!
Lew trat ihr jedoch nicht auf die Füße. Er bewegte sich so leicht wie der Wind, und nach ganz kurzer Zeit gab sich Dio der Musik und der reinen Freude am Tanz hin. Sie passten gut zusammen. Dio merkte gleich, dass sie mit einem Darkovaner tanzte, denn nirgendwo im zivilisierten Imperium gab es ein so für den Tanz begeistertes Volk wie auf Darkover. Als sie sich einige Minuten lang in perfektem gemeinsamem Rhythmus bewegt hatten, hob Dio die Augen und lächelte ihn an. Sie senkte die geistige Abschirmung auf eine Weise, die jeder Comyn als Einladung zu der telepathischen Berührung ihrer Kaste verstehen musste.
Für einen Sekundenbruchteil trafen sich ihre Blicke. Sie spürte, dass seine Gedanken nach ihr griffen, instinktiv, im Einklang mit der Sympathie zwischen ihren Körpern. Dann schlug er ohne Warnung die Barriere zwischen ihnen zu. Der Schock benahm ihr den Atem. Sie brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um nicht vor Schmerz über dies Zurückstoßen aufzuschreien. Aber die Befriedigung, sie verletzt zu haben, gönnte sie ihm nicht. Sie lächelte nur und fuhr fort, den Tanz auf gewöhnlicher Ebene zu genießen, die Bewegung, das Gefühl, in vollkommenem Einklang mit seinen Schritten zu sein.
Aber innerlich war sie benommen und bestürzt. Was hatte sie getan, um eine so brutale Zurückweisung zu verdienen? Ganz bestimmt nichts; ihre Geste war zwar kühn, aber nicht unanständig gewesen. Schließlich war er ein Mann ihrer eigenen Kaste, ein Telepath und Verwandter, und wenn er die ihm angebotene Intimität nicht wünschte, gab es behutsamere Methoden, abzulehnen oder sich zurückzuziehen.
Nun, da sie nichts getan hatte, um diesen Schlag zu verdienen, musste er eine Reaktion auf Lews inneren Aufruhr sein, und dann hatte das nichts mit ihr zu tun. Deshalb behielt sie ihr Lächeln bei, und als die Musik in eine langsamere, romantische Weise überging und die Paare um sie einander näher rückten, Wange an Wange legten, sich beinahe umarmten, bewegte sie sich instinktiv auf ihn zu. Einen Augenblick war er steif, regungslos, und sie fragte sich, ob er auch die körperliche Berührung ablehnen würde. Doch dann fasste sein Arm sie fester. Obwohl seine geistige Abschirmung ganz dicht war, spürte sie allein durch den leichten Druck seines Arms, wie ausgehungert er war … Wie lange mochte es her sein, fragte sie sich, dass er auf irgendeine Weise eine Frau berührt hatte? Viel zu lange, davon war sie überzeugt. Die telepathischen Comyn, besonders die Altons und die Ridenows, waren bekannt dafür, in solchen Dingen eigen zu sein. Sie waren überempfindlich, sich einer zufälligen oder beiläufigen Berührung viel zu stark bewusst. Nur wenige unter den Comyn waren im Stande, sich in eine oberflächliche Liebesaffäre einzulassen.
Natürlich gab es Ausnahmen, dachte Dio. Der junge Hastur-Erbe sollte hinter Frauen her sein, obwohl er sich wahrscheinlich Musikerinnen oder Matrix-Mechanikerinnen aussuchte, sensible Frauen, die intensive Emotionen mit ihm zu teilen vermochten, nicht die gewöhnlichen Frauen der Stadt. Ihr Bruder Lerrys neigte auf seine eigene Art ebenfalls zur Promiskuität, wenn er sich auch an solche hielt, die ebenso wie er verschwenderischen Liebhabereien nachgingen … Ein schneller Blick zeigte ihr, dass er mit dem Jungen in den Goldnetzen tanzte, eine schnell aufflammende, überfließende Intimität gemeinsamen Entzückens im Tanz.
Die Musik wurde langsamer, die Lichter matter, und Dio
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