Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
Es war ein schwieriges Unterfangen: »Little Lila« hatte keinen Kühlschrank. Wir waren uns alle einig, dass wir das nicht wollten – vor allem ich nicht. »Sals’s Sandhaus« hatte einen Kamin, aber er war im Schlafzimmer. Hätten wir aus dem Schlafzimmer ein Wohnzimmer machen können? Nein, das wäre nicht gegangen, schließlich ist es unfair, wenn sich die einen die Füße wärmen können und die anderen nicht. »Hilda’s Hideaway« war gegenüber vom Kino, und da es das einzige Kino der Stadt war, wäre es bei einem Filmriss bestimmt ziemlich laut geworden. Mrs. Pontie meinte das. Mr. Pontie war anderer Meinung, und sie fing an zu schniefen.
Schließlich fanden wir dann doch was. »Papa’s Getaway«. Es kostete zwar ein bisschen mehr, als wir ausgeben wollten – siebzehn Dollar pro Person. Und es war ein bisschen weniger spektakulär. Auf dem Fußboden lag nochder Sand vom letzten Jahr. Und auch ein bisschen weniger möbliert als versprochen – drei schmiedeeiserne Stühle mit zerrissenen Leinenbezügen und vier Doppelbetten. Aber es war das Beste im Angebot, und natürlich erzählte uns die Anbieterin, dass eine andere Gruppe bereits großes Interesse bekundet und auch schon etwas anbezahlt habe, wir würden aber einen anständigeren Eindruck machen. Zwei Mädchen, die nur Männer im Kopf hatten, zwei Schwule, ein ständig sich kabbelndes Ehepaar, ein junges Mädchen in einem grellbunten Poncho, das kein Wort sagte, und ein Typ, der in jedem Haus, das wir besichtigten, die Zigaretten auf dem Boden austrat. Fragt sich, anständiger als wer?
Damit waren wir die Mieter. Mieter, wie ich hinzufügen muss, die die Nachmittagsfähre verpassten und dann stundenlang im Nichts auf die nächste Fähre warteten. Ich schaute mir die Truppe an und sagte mir, dass ich mit all diesen Fremden unter einem Dach schlafen würde. Das waren nicht meine Mutter, mein Vater, meine Schwester Melissa. Diese Leute waren, abgesehen von Linda, völlig Fremde. Wie ich später im Gespräch mit anderen Mietern herausfand, gibt es anscheinend immer diesen Augenblick, in dem man sich sagt, dass man sich mit all diesen Leuten den Toilettensitz teilen müsste.
Wir bildeten zwei Gruppen. Gruppe A und Gruppe B, von uns so benannt – wie einfallsreich! Die Gruppe A bestand aus Linda und mir und Agatha Horowith und Mark Marks. Die beiden glücklichen Paare, die Ponties und die Charles Millers bildeten die Gruppe B. Unsere Gruppe würde denAnfang machen, was im ersten Moment vielleicht wunderbar erscheint, es aber nicht ist, glaubt mir. Hat man die Wahl, sollte man sich immer für die Gruppe B entscheiden. Fuhr nämlich die Gruppe B raus, war alles schon so, wie es sein sollte. Hübsch und bequem und erholsam.
Fährt man aber zuerst raus, musste alles erst geputzt werden, und ratet mal, wer nicht zum Strand ging, weil sie am Aufwischen war? In der ersten Gruppe friert man erbärmlich, weil man nämlich nicht daran gedacht hatte, nach der Heizung zu fragen, und seine Decke und seinen Schlafsack zu Hause gelassen hatte. Die Ersten haben auch kein warmes Wasser, weil der Durchlauferhitzer nicht angeschlossen ist und man als jüdischer Mitbürger keine Ahnung von Durchlauferhitzern hat. Man sucht verzweifelt einen Klempner und zahlt ihm ein Vermögen, wenn man als Erster ankommt. Und was am allerschlimmsten ist – die Ersten müssen die Grundlebensmittel einkaufen – Salz und Pfeffer und Zucker und Klopapier, Basilikum und Oregano und Marmelade und Butter.
In der ersten Woche entdeckte ich auch, dass die Lebensmittel auf der Insel lächerlich teuer sind – z. B. zahlt man fünfzig Cent für eine Tomate. Ich wette, nicht einmal Happy Rockefeller würde fünfzig Cent für eine Tomate ausgeben. Was machte man also, wenn man essen wollte – und das wollte ich auf jeden Fall? Man kaufte auf dem Festland ein und nahm die Lebensmittel mit auf die Fähre. Was kein Problem ist. Auf der Insel wurde man schon von einer Horde tief gebräunter kleiner Jungs mit hellen, von der Sonne gebleichten Haaren erwartet, die für einen Quarter mit ihren roten Leiterwagen die Einkäufe zum Haus karrten. Also deckte ich mich schon vorher mit Essen ein, musste aber feststellen, dass das Minteis mit den Schokoladestückchen, mein Lieblingseis, die Reise nicht überstand.
Das erste Wochenende verlief sehr ruhig. Linda fand Mark Marks ganz nett, Agatha blieb für sich, und ich tat mein Möglichstes, um auch solche Treffer zu landen wie Lindas Cousine Rhoda. Aber ich
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