Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
Agatha nicht mehr von der Seite. Selbst wenn der Richtige dabei gewesen wäre, er wäre nicht an mich rangekommen. Noch einmal ins Flynn’s und dann nach Hause, Agatha wie immer an meiner Seite – noch näher als nur an meiner Seite. In engem Körperkontakt. Vielleicht übertreibe ich jetzt, wo ich weiß, was sie vorhatte, aber dieses Mädel hat wirklich Körperkontakt gesucht, ich schwör’s.
In unserem Cottage schüttelte ich die Kissen auf, wischte über das Formica (der Staubsauger funktionierte nicht. Auf der ganzen Insel gab es keinen einzigen funktionierenden Staubsauger) und schlüpfte aus meinen Kleidern. Ich wurde beobachtet.
»Sheila?«
»Ja, Agatha?«
»Du hast gesagt, wir würden uns noch etwas unterhalten.«
»Eine Sekunde, ich will mir’s nur etwas bequem machen. Wir können uns gerne unterhalten, wenn du Lust hast.«
Ich zog mir mein spektakuläres Flanellnachthemd über, rot und weiß und Nylonspitze mit Schleifchen. Warm und funktional. (Wie ich)
»Über was willst du denn reden, Agatha?«
»Sheila?«
»Ja, Agatha?« (Alle unsere Gespräche fingen so an.)
»Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber ich war in der letzten Zeit ziemlich deprimiert.« (Ich kannte sie ja kaum, und deshalb war mir auch nichts aufgefallen, wenn mir aber eine Frau erzählt, sie sei deprimiert, und dabei ganz nahe an mich rankommt, musste ich das wohl glauben, nicht wahr?)
»Was ist denn los?« (Ich denke, sie hat also Probleme? Dann sollte ich ihr vielleicht auch von meinen Problemen erzählen. Vielleicht würde ihres neben meinen nicht mehr ins Gewicht fallen. Und warum sollte ich mich eigentlich auf Agatha beschränken? Ich könnte ja auch Tausenden von jungen Mädchen von meinen Problemen erzählen, und Tausende von jungen Mädchen würden sich gleich besser fühlen. Gibt es keine Stiftung für das Erzählen von Problemen? Und könnte ich nicht ein Stipendium bekommen? Ich würde im ganzen Land herumreisen – eine One-Woman-Show. Die Lichter gehen aus, im Saal herrscht Ruhe. Ich erscheine in einem einfachen blauen Anzug. Ich räuspere mich. Ich beginne: »Ihr glaubt also, ihr habt Probleme …?«)
»Sheila?«
»Ja, Agatha?«
»Ich hatte diese Superbeziehung, wir haben aber Schluss gemacht, obwohl ich dachte, sie würde nie zu Ende gehen.« Sie schluchzte in ihr Kissen.
»Woher willst du wissen, dass es aus ist? Vielleicht waren es einfach die üblichen Kabbeleien. Du entschuldigst dich, und alles ist wieder in Ordnung.«
»Nein, es ist aus.« (Schluchz, schluchz, schluchz)
»Du wirst bestimmt wieder jemanden finden.«
»Hab ich doch schon, aber irgendwie kommt nichts zurück.«
»Woher willst du das wissen, Agatha?«
»Weil mir mehr an dieser Person liegt als ihr an mir.« (Schluchz, schluchz, schluchz)
»Vielleicht denkst du das auch nur, Agatha. Vielleicht mag sie dich genauso wie du sie; sie getraut sich nur nicht. Warum immer diese Spielchen, sprich einfach mit ihr.«
»Das fällt mir nicht leicht.«
»Ich weiß, es ist nicht einfach, aber tu’s. Nur so kannst du dir Klarheit verschaffen.«
»Sheila, ich liebe dich.«
»Ist schon gut, Agatha. Ich bin sicher, alles wird sich in Wohlgefallen auflösen, wenn du meinen Rat befolgst.«
»Sheila, du verstehst nicht. Du bist diejenige, die ich liebe. Du bist die Person, mit der ich zusammen sein will. Empfindest du etwas für mich?« (Du meine Güte!)
Nicht schlecht. Mein fünftes Wochenende und schon ein Antrag. Wie machen es Mädels mit Mädels? Ich weiß zwar, dass sie es machen, aber ich weiß nicht, wie.
Ich hab etwas dazugelernt – passt bitte auf und notiert euch das – Mutter, hörst du auch zu? Man weiß nie, ob die Verkäuferin in der Bäckerei, die einem ein süßes Teilchen zusteckt, nicht irgendwelche Absichten hat. Ich erkannte:
TATSACHE IST, EINE LESBE KRIEGT MAN NICHT SO SCHNELL WIEDER LOS.
Ich musste von der Gruppe A in die Gruppe B wechseln. Linda und ich tauschten mit den Ponties. Linda war es egal, denn sie hasste Mark Marks von dem Augenblick an, als sie erfuhr, dass seine Eltern Nixon gewählt hatten. Es wurde immer schwieriger, Miss Minsk zufriedenzustellen. Meine Telefonnummer musste ich auch ändern. Ich wurde nämlich dreimal am Tag von Agatha Horowitz angerufen, weil sie wissen wollte, was mit ihr nicht stimmte, und das nur, weil ich ihre Nippel nicht berühren wollte. Schließlich musste ich mir eine Geheimnummer geben lassen, was wiederum Linda nicht passte, die sich daraufhin ein eigenes Telefon
Weitere Kostenlose Bücher