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Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)

Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)

Titel: Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Parent
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Sheila, du musst abnehmen … Sheila, du musst abnehmen.« Ich hörte Stimmen wie Jeanne d’Arc. Sie sagten mir, dass es gute zwanzig Pfund sein müssten. Eigentlich war das ganz einfach: Selbst wenn ich nicht sofort heiraten würde, so würde ich, wenn ich diese zwanzig Pfund abgenommen hätte, zumindest auf der Hochzeit eine gute Figur machen. Und bei Schlanken denkt man, sie hätten alle Auswahl.
    »Mom. Ich mach diese Diät …«
    »Bist du sicher, dass du ausreichend isst?«
    Ja, Mutter, bin ich. Ich bin mir sicher, dass ich mehr als genug esse. Mit dem, was ich in meinem Leben gegessen habe, könnte man die ganze Stadt Trenton, New Jersey, ernähren, Mutter. Würde man alle Chinesen dieser Welt in Viererreihen aufstellen, hätten sie nicht so viel gegessen wie ich am Buffet der letzten Bar-Mizwa, zu der ich eingeladen war. Wenn ich nur einen Tag lang nichts essen würde … nur einen einzigen Tag … könnten alle Hungernden Indiens satt werden. Und du fragst, ob ich genug esse? Und warum fragst du das jetzt, Mutter? Warum hast du dich das nicht gefragt, als ich noch ein Baby war und du mich zwangsernährt hast? Damals fingst du an zu schluchzen, wenn ich nichts zu mir nahm. Du hast mir oft genug erzählt, meine Beinchen wären so dünn gewesen, dass du im Sprechzimmer des Arztes in Tränen ausgebrochen bist. Ich hätte kaum was auf dem Po gehabt, hast du gesagt. Schau ihn dir jetzt mal an! Da ist mehr als genug drauf, Mutter!
    Du hast aber nicht nur geweint, wenn ich nichts aß – du hast auch ein Riesentheater gemacht, um mich dazu zu bringen. Wenn du mir einen Löffel nach dem anderen in den Mund schobst, hast du dich mit diesem kleinen Spielchen vergnügt: Ein Löffelchen für Mommy, ein Löffelchen für Daddy, ein Löffelchen für Oma Arnold, eins für Opa Arnold, eines für Nana, eines für Tante Phyllis und eines für Onkel Larry und so weiter und so fort, bis deinem Appetit als Erwachsener Genüge getan war. Und wenn ich alles aufgegessen hatte, wurde gejubelt. Die ganze Straße jubelte. Applaus und noch mehr Applaus, Sheila hat ihren Teller leer gegessen.
    Als ich ganz klein war, dräute der Krieg über meinem Haupt. In Europa verhungerten Kinder, also musste ich essen. Und als ich dann größer war, hast du mich immer mit Essen getröstet.
    »Da, mein Schatz, ärgere dich nicht, wenn du die Perlen nicht auffädeln kannst. Da hast du einen Keks.«
    Weißt du, was besonders spaßig ist, Mutter? Dein plötzlicher Sinneswandel. Und wumms! Einfach so. Mit Melissas Geburt hast du deine Einstellung plötzlich geändert. Du sagtest: »Ich hatte solche Schwierigkeiten mit Sheila, diese da lass ich einfach machen. Wenn sie essen will, soll sie. Und wenn nicht, ist es auch gut. Ich will mir nicht wieder das Leben schwer machen.« Das war nicht fair. Warum hast du nicht auch Melissa gestopft? Warum durfte ich nicht auch nicht essen? Schön. Du weißt, was sie über deine liebe Sheila sagen? … »Sie hat so ein hübsches Gesicht. Wenn sie fünfzehn Pfund weniger wiegen würde, wäre sieeine richtige Schönheit.« … Verdammt! Ich gehöre zur Diät Pepsi Generation. Ich hab in meinem Leben bestimmt sieben Mal fünfzehn Pfund abgenommen. Zusammen macht das mehr als hundert. Aber sie kamen sofort wieder zurück, weil ich nämlich immer auf den Applaus wartete, wenn ich meinen Teller leer esse.
    Mein Übergewicht ist einer der Gründe, weshalb ich mich umbringen will. Ich hab keine Lust mehr auf Diät, und ich hab’s auch satt, alle anderen in ihren Bikinis zu sehen. Ich bohr mir einen Dolch ins Herz, wobei es fraglich ist, ob er durch das ganze Fett dringt.
    Es soll da diesen Doktor geben (kleine jüdische Mädchen verstehen unter einem Doktor einen Arzt), einen Dr. Sheldon, der Mädchen wie mir jede Menge von Diätpillen verschreibt, vorausgesetzt, sie sind gewillt, für die kleinen regenbogenfarbenen Dinger in der weißen Schachtel Geld auszugeben, zehn Dollar für die erste Sprechstunde und fünf Dollar für alle folgenden.
    Bis zur Hochzeit waren es noch dreizehn Monate. Ich rief also den Onkel Doktor an und ließ mir den ersten freien Termin geben: Dienstag, zwölf Uhr. Und am Montagabend verabschiedete ich mich von Essen und Trinken, d. h., ich aß alles, was mir unter die Finger kam, weil ich wusste, dass ich am nächsten Tag auf Diät sein würde. Ich aß Kartoffelsalat und Kartoffelknishes. Corned Beef und Doppelrahmkäse auf Roggenbrötchen … gehackte Leber und Rocky Road Eiscreme. Und eine

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