Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
Dreizimmerwohnung mit einem separaten Schlafzimmer. Man sah sofort, dass Marsha und David nicht verheiratet waren.
Im Wohnzimmer standen zwei Musikanlagen herum. Und es gab sowohl von seinen wie von ihren Lebensmitteln, zum Beispiel Importbier und Biosäfte. Verheiratete Paare teilen sich die Lebensmittel, so zum Beispiel Seven-Up und vielleicht auch Apfelsaft. Marsha hatte ein achtteiliges Service aus zwei mal vier Teilen mit jeweils einem anderen Muster.
Im Schlafzimmer, wo wir unsere Mäntel ablegten, waren zwei Scheckhefte von zwei verschiedenen Banken. Keine Eheleute also. Und im Bad hing nur ein Morgenmantel – seiner –, und es gab auch keine Handtücher mit Monogramm. An der Eingangstür stand nur sein Name.
Marsha tischte Chili auf, es lief Showmusik, die Gesellschaft war erlesen, und wir konnten es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und ins Bett zu gehen. Wir schnappten uns unsere Mäntel und schlichen uns fort, ohne uns zu verabschieden. Ein Taxi brachte uns nach Hause, und wir hatten unsere Klamotten schon ausgezogen, bevor wir die Wohnungstür erreichten. Ein weiterer Höhepunkt – danach hörte ich auf zu zählen.
»Harold?«
»Ja?«
»Marsha und David scheinen recht glücklich zu sein, was?«
»Sheila, nicht.«
»Was nicht?«
»Frag mich nicht, ob ich mit dir zusammenziehen will.«
Er ging am nächsten Morgen. Eine Woche verging, und ich hörte nichts von ihm. Ich rief nicht an. Ich war zwar drauf und dran, ließ es aber doch bleiben. So war ich erzogen. »Sheila, Männer mögen es nicht, wenn man ihnen nachläuft.« Eine weitere Woche verging. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich schnappte mir das Telefon, wählte seine Nummer und legte wieder auf – immer wieder. In der dritten Woche rief ich in regelmäßigen Abständen an, jeden Tag, nein, im Zehnminutentakt bis zwei, drei Uhr morgens. Er war nie zu Hause, und die einzige Erklärung war für mich, dass er mit jemanden zusammenlebte. Gott sei Dank hatte ich das Grab behalten.
4. Februar
Liebe Sheila,
du wunderst dich vielleicht, warum du von mir nichts gehört und nichts gesehen hast. Vielleicht wunderst du dich aber auch nicht. [Und ob ich mich wunderte. Über ein Monat war vergangen, und ich fragte mich, wo mein nächster Orgasmus herkommen sollte. Sei nicht so egoistisch, Sheila, in Indien gibt es Menschen, die ohne Orgasmen leben müssen.] Jedenfalls möchte ich dir schreiben und erklären, was passiert ist.
Erinnerst du dich noch an die Silvesterparty bei meinem Cousin? Erinnerst du dich auch, dass meine Exfrau da war? [Und ob ich mich erinnerte.] Und dass sie mir drohte, mich wegen der Alimente ins Gefängnis zu bringen. Tja, die Schlampe hat’s getan. Sie hat mich einsperren lassen.
Ich bekam die Vorladung vor ungefähr vier Wochen, und mein Rechtsanwalt versuchte, mich rauszuhauen, aber, Sheila, ich will nicht zahlen. Lieber verschimmle ich hier im Gefängnis – ich hab sechsMonate gekriegt –, als dieser Schlampe auch nur einen Cent zu geben. Für die Kinder, ja. Für sie, nein.
Es ist gar nicht so übel hier. Du wirst es nicht glauben, der ganze Bau ist voller Typen, die keine Alimente zahlen. Manager, Lehrer, einfach alles. Ich habe eine große Bitte. BITTE kauf mir was zum Kiffen und schick mir’s in einem Buch oder etwas Ähnlichem. Lass dir was einfallen. Du bist doch ein kluges Kind.
Love,
HAROLD
DU LIEBER HIMMEL! Sheila Levine wird erwischt und wandert selbst ins Gefängnis wegen Erwerb, Besitz und Beförderung von Marihuana durch die amerikanische Post. Ich hab nie auch nur ein anstößiges Wort mit der amerikanischen Post verschickt. Meine große Angst war immer, am 3. Juli erwischt zu werden und im Gefängnis zu landen oder zu Zwangsarbeit verurteilt zu werden.
Ich lese den Brief ein-, zweimal durch. Er schrieb »Love, Harold«. Bedeutet das, er liebt mich, oder heißt es einfach nur Tschüss? Und er schrieb, dass er sechs Monate sitzen müsse, das bedeutete, wenn man den Monat abrechnete, den er schon abgesessen hat, wäre er Ende Juli wieder raus. Mich würde es dann schon längst nicht mehr geben. Sheila, das war einmal. Bleiben fünf Monate, und ich hatte mindestens fünf Sessions mit Harold eingeplant. Ich hatte ein Recht auf diese Sessions.
Ich spülte den Brief die Toilette runter – damit es keine Beweise gab.
Wo findet man Stoff zum Kiffen? Ich hatte gedacht, er sei immer zur Hand. Ich rief alle Kiffer in meinem Bekanntenkreis an und nuschelte mein Anliegen ins Telefon. Die Stadt war total
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