Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
ich dir dabei helfen.«
»Was meinst du mit dabei helfen?«
»Helfen, wie auch immer. Ich könnte dir die Pillen besorgen. Ich kenn da einen, der sich auskennt.«
»Ich sag dir Bescheid, wenn ich dich brauche. Danke.«
»Wirklich, ich möchte dir dabei helfen. Ich fänd’s schrecklich, wenn ich nichts für dich tun könnte.« (Ein Mann mit Gewissen)
»Bestimmt gibt es was. Du kannst Gänseblümchen für den Sarg schicken. Das wäre echt nett.«
»Wow! Ja, mach ich, ich schicke Gänseblümchen für den Sarg. Du musst mir nur sagen, wann, dann schick ich sie.«
»Danke, Harold.«
Am Nachmittag …
»Sheila?«
»Ja?«
»Mir ist klar, dass das eine sehr persönliche Frage ist, und wir kennen uns ja noch nicht sehr lange [nein, wir sind nur sehr intim geworden]. Ich wüsste schon gerne, warum du das machst?«
»Weil mir Sex Spaß macht.« (Ja, Mom, was soll’s, ein paar Orgasmen mehr, bevor ich gehe. Die paar mehr bringen mich nicht um.)
»Nein, das mein ich nicht. Ich will wissen, warum du dich umbringen willst.«
»Das ist eine lange Geschichte. Ich werde einen Abschiedsbrief schreiben. Den kannst du lesen, wenn du willst.«
»Wo ist er?«
»Nicht jetzt. Du kannst ihn lesen, wenn ich tot bin.«
»Wow! Her mit dir!« Neun Orgasmen hintereinander.
»Sheila?«
»Ja?«
»Ich wette, dass du das nicht durchziehst.«
»Meinst du den Suizid?«
»Ja.«
»Da schau mal!« (Ich lehnte mich aus dem Bett und holte den VERSTORBEN Stempel aus dem Schreibtischfach. Ich wickelte ihn aus und zeigte ihn Harold.)
»Wow!«
Zwischen Weihnachten und Neujahr kam Harold immer wieder vorbei. Er behandelte mich wie eine Todgeweihte – nicht wie eine Selbstmörderin –, als wäre ich todkrank, als hätte mir der Arzt noch sechs Monate gegeben. Er brachte mir kleine Geschenke, lustige Ohrwärmer und eine Flasche billigen Champagner. Jetzt muss ich mich praktisch umbringen. Nach den Ohrwärmern und dem Champagner und seinen ganzen Bemühungen, mich von meinem Vorhaben abzubringen, blieb mir gar nichts anderes übrig … Schon komisch, Harold schob mir praktisch die ganze Verantwortung zu. Er wurde zu einem unheimlich netten, verständnisvollen Liebhaber, der alles tat, um mir meine letzten Tage zu versüßen. Die Verantwortung erdrückte mich. Wenn jemand dermaßen nett ist und einen so mitGeschenken überhäuft, sollte man es sich dann nicht doch anders überlegen? Sterben ist eine äußerst komplexe Angelegenheit.
»Sheila?«
»Ja?«
»Es ist hammermäßig.«
»Was ist hammermäßig, Harold?«
»Was du vorhast.«
»Du meinst den Suizid?«
»Ja, es ist der Hammer. Mädels wie du sind wirklich selten. Du bist enorm mutig.«
»Bin ich.«
»Her mit dir!« (Und ich gab mich her und gab mich her.)
Um ganz ehrlich zu sein, lief das Ganze darauf raus, dass ich endlich einen Mann rumgekriegt hatte und dass ich mich innerhalb eines Jahres begraben lassen musste, wenn ich ihn nicht enttäuschen wollte.
Silvester war grandios. Wirklich grandios. Eigentlich hab ich Silvester immer gehasst. Entweder hatte ich keine Einladung und verbrachte den Abend mit einer Freundin, die dann bei mir schlief, wenn wir uns den Silvesterball im Fernsehen angeschaut hatten, oder ich hatte eine Verabredung mit einem Typen, der eine Begleitung für eine blöde Party brauchte und mich fragte, bevor er es sich zu Hause gemütlich machte. Oder … ich überließ es dem Zufall. Schrecklich, nicht wahr? Es dem Zufall zu überlassen bedeutete, dass man sich um Mitternacht in der Toilette einsperrte, um diese Zufallsbekanntschaft nicht küssen zu müssen, wenn das Licht ausging. Melissa hatte natürlichschon an Thanksgiving eine Silvester-Verabredung. Irgendein armer Corvette-Besitzer rief immer drei Wochen vorher an. Miss Melissa legte dann einfach den Hörer auf. Ist es also verwunderlich, wenn ich Silvester schrecklich fand? Nein, ist es nicht. Bei der guten alten Sheila verwunderte einen gar nichts.
Doch dieses Jahr war alles anders. Gegen acht Uhr stand Harold vor der Tür in einem wunderschönen, nagelneuen Anzug. Man fragt sich vielleicht, ob das wirklich so wichtig ist – für mich war es wie ein Wunder. Ich hatte nur selten das Vergnügen gehabt, einen Mann in einem neuen Anzug zu sehen. Die Männer fanden es gewöhnlich nicht nötig. Harolds Anzug war braun, nein lohfarben, mit breitem Revers und einfach umwerfend.
»Mir gefällt dein Anzug.«
»Er ist neu.«
Ich trug einen langen Rock und eine Bluse, sehr festlich, halb
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