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Shelter Bay - 02 - Furienlied

Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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das Gästezimmer bekommen. Das war für sie okay. Das Zimmer war mit dem Grundlegendsten ausgestattet: Es gab ein Doppelbett und einen Schreibtisch, einen Spiegel und einen Stuhl zum Sitzen. Bananas sprang aufs Bett und rollte sich zwischen den dunkelblauen Kissen zusammen, die am Kopfende drapiert waren, während Zoe ihre neuen Klamotten in die Schubladen stopfte, ohne sich groß darum zu kümmern, vorher die Etiketten zu entfernen.
    Dann hatte sie versucht, ein wenig zu schlafen. Doch die Erinnerung an die Brandnacht wirbelte ihr im Kopf herum. Sie hatte einen lebhaften Traum gehabt, der sich an den Rändern ihres Bewusstseins herumgetrieben und nur darauf gewartet hatte, dass sie einschlief, um sich dann mit voller Kraft auf sie zu stürzen. Aber jedes Mal, wenn sie sich hinlegte, kam der Traum zu ihr zurück, nicht als Traum, sondern als eine Erinnerung, die sie nicht aufhalten konnte:
    Sie stand am Strand und sah auf das dunkle Wasser hinaus, über sich einen Himmel voller Sterne. Der Vollmond schien aufs Wasser und sandte einen Fluss aus Licht über den ruhig daliegenden Ozean. Ein Segelboot glitt über die erleuchtete Wasseroberfläche. Die beiden Segel wölbten sich, an Deck waren zwei Gestalten zu erkennen.
    Zoe sah auf ihre Füße hinab. Sie war barfuß und grub ihre Zehen in den weichen, weißen Sand. Sie fragte sich nicht, warum sie dort stand. Sie wusste es – sie war schlafgewandelt, aus dem Haus, über das Grundstück der Archers, runter ans Wasser.
    Sie blickte zurück zum Segelboot, wo sie eine Gestalt an Deck stehen sah, starr wie ein Soldat. Es war, als hätte etwas weit draußen auf dem Wasser seine Aufmerksamkeit erregt. Er rief etwas und Zoe erkannte, dass die Gestalt Tim war.
    Das kam ihr nicht merkwürdig vor. Vielmehr wurde sie von Schuldgefühlen erfasst wie von einer Welle. Als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn nicht liebte. Er war freundlich gewesen – mehr als freundlich –, aber sie wusste, dass sie ihm das Herz gebrochen hatte.
    »Tim!«, schrie sie, aber er rief nach jemand anderem – der anderen Person auf dem Boot.
    Will. Er blickte auf, und in diesem Moment sah Zoe, wie sich etwas bewegte. Etwas kam an die Oberfläche. Es sah aus wie ein Kopf, der neben dem Boot halb aus dem Wasser ragte. Der Vollmond schien herab und die Augen verschwanden im Schatten.
    Mit einem Aufschrei langte Tim nach unten. Die Gestalt hob einen tropfenden Arm aus dem Wasser. Ihre Haut war bleich und ihre langen Finger gingen in dolchartige Nägel über. Etwas an dieser Bewegung ließ Zoe den Atem stocken. Sie wollte aufschreien, entdeckte jedoch, dass sie keinen Ton herausbrachte.
    Mit einem Platschen zog die Gestalt Tim ins Wasser.
    Will schrie und rannte herbei, um seinem Bruder zu helfen, aber eine weitere Gestalt schoss aus dem Wasser. Sie landete an Bord des Bootes und stellte sich Will in den Weg. Sie war in Tierhäute gekleidet und verzog das Gesicht zu einem Lächeln, bei dem ihre Zähne zum Vorschein kamen, so scharf und spitz wie die eines Hais. Ihr dunkles Haar flatterte in wilden Strängen hinter ihr her, als sie auf Will zutrat. Er taumelte rückwärts und tat so, als wolle er ins Wasser springen. Aber nun war der Fluss aus Licht mit Köpfen gesprenkelt, die aus dem Wasser hervorbrachen …
    Tim kam für einen Augenblick schreiend zurück an die Oberfläche und Will stürzte sich auf die Sirene. Aber sie schlitzte ihm das Gesicht auf und das Blut, das aus dem tiefen Schnitt strömte, nahm ihm die Sicht.
    Tims Schreie brachen ab, als die Wesen ihn wieder unter Wasser zogen. Die Sirene machte einen Satz nach vorn und umklammerte Will mit ihren langen Armen. Sie schlang ihren Arm um seinen Hals, in dem Versuch, das Leben aus ihm herauszupressen.
    Und dann hörte Zoe ihr eigenes Wehklagen. Sie fühlte sich, als hätte das Blut in ihren Adern Feuer gefangen, und sie rannte, rannte – rannte geradewegs aufs Wasser hinaus. So schnell, dass sie nicht unterging.
    Ein scheußliches Kreischen drang aus Zoes Kehle – ein urtümlicher Laut – und sie sah den überraschten, dann verängstigten Ausdruck auf dem Gesicht der Sirene, als Zoe sich an Bord schwang. Die Sirene ließ von Will ab und taumelte rückwärts. Sie flüsterte etwas mit einer heiseren, kehligen Stimme, während Will keuchend und hustend auf dem glitschigen Boden lag.
    Das Wort reichte bis hinab in die Tiefen ihrer Erinnerung. Irgendwie wusste Zoe, dass es ein Name war, und sie

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