Sherlock Holmes Bisher unbekannte Fälle Sammelband 1
für Sie“, Holmes tupfte sich die Mundwinkel mit einer Serviette ab und stand auf. Er reichte der Wirtin die Hand. „Dann wünsche ich Ihnen eine gute Fahrt.“
„Ja, von mir auch eine gute Reise und alles Gute. Passen Sie auf sich auf und kommen Sie wohlbehalten zurück“, ergänzte ich.
„Vielen Dank, meine Herren. Ich räume nur eben das Geschirr ab und packe eine kleine Tasche, ich denke, in einer Stunde fahre ich los.“
„Jetzt sind wir Strohwitwer und ganz auf uns allein gestellt, mein lieber Watson, was sagen Sie dazu?“
„Was sein muss, muss sein“, brummte ich.
Holmes wirkte einen Moment nachdenklich. „Ich frage mich, warum die Schwester einen Brief schrieb und nicht telegrafierte, wo es doch so dringend ist. Hm ...“
Er winkte ab. „Na, wie auch immer. Ich muss zu einem Klienten, Watson. Wir sehen uns am Abend wieder und werden uns überlegen, wo wir ein Abendessen herbekommen."
Den nächsten Tag widmete Holmes einem umfangreichen Experiment. Obwohl er sich in seinem Zimmer aufhielt, zog ein stechender Geruch durch die Wohnung, als ich am Nachmittag aus der Praxis nach Hause kam. Unser gemeinsames Wohnzimmer war für seine Experimente tabu, das hatten wir schon lange geklärt, doch bei sich ließ er es sich nicht nehmen, in größeren Abständen die skurrilsten Versuche durchzuführen. Ich wollte gerade leicht entnervt ein Fenster öffnen, als er an die Wohnzimmertür klopfte.
„Kommen Sie doch herein, Holmes, es ist nie abgeschlossen, das wissen Sie doch.“
„Ich habe die Hände voll“, rief er.
Ich seufzte und öffnete ihm die Tür. Er trat ein, in den ausgestreckten Händen jeweils eine Petrischale mit einer klaren Flüssigkeit haltend.
„Schauen Sie, Watson!“, sagte er und hielt die beiden Schalen dicht nebeneinander. Dann blies er heftig darüber und in meine Richtung. Eine große, dichte und weiße Rauchwolke wallte auf und hüllte mich ein. Der stechende Geruch brachte mich zum Husten.
„Holmes, was soll denn das?“, regte ich mich auf, doch er war verschwunden! Eine Berührung an der Schulter ließ mich zusammenfahren, schnell drehte ich mich um. Holmes stand hinter mir und lachte wie ein Schulbub, dem ein besonders guter Streich gelungen ist. Die stahlgrauen Augen blitzen mich voller jugendlicher Frische an.
„Wäre das nicht ein hervorragender Trick für einen Magier, auf der Bühne vor dem Publikum zu verschwinden?“
Er lachte wieder, während ich nur den Kopf schütteln konnte.
„Alles was man braucht, ist ein wenig Ammoniumgas in wässriger Lösung und Salzsäure. Die aufsteigenden Dämpfe werden durch das Blasen mitgerissen, vermischen sich und reagieren zu feinsten Ammoniumchloridkristallen, die den weißen Nebel bilden. Nicht gefährlich und nicht giftig, in geringer Dosierung“, erklärte er.
„Das Publikum wird sich über den Gestank bedanken, Holmes! Und wenn Mrs. Hudson da wäre, würde Sie Ihnen eins mit dem Nudelholz verpassen, unser Wohnzimmer so einzunebeln. Was haben Sie sich nur dabei gedacht?“
„Lassen Sie uns kurz das Fenster öffnen, Watson, dann ist es gleich vorbei.“
Holmes konnte manchmal anstrengend sein, aber so kannte ich meinen Freund. Er besaß einige Eigenarten und sein Verhalten wich von Zeit zu Zeit doch ziemlich von der Norm ab, besonders, wenn er sich in einen Fall verbiss und nicht mehr mit mir sprach oder mich nur anknurrte. Die Experimente waren eine andere Marotte von ihm und die sehr seltenen Drogeneinnahmen eine weitere. Nun, solange er nicht das Haus in Brand setzte oder im Drogenrausch Amok lief, war es in Ordnung und gehörte wohl zu seinem genialen Geist, so wie Schatten zu Licht gehörte. Ich strich mir durch das Haar und über die Kleidung, hoffentlich setzte sich der feine weiße Staub nicht fest.
Am Abend, wir hatten uns an einem Laib Brot, Käse und Schinken aus Mrs. Hudsons Vorratskammer gütlich getan, blätterte Holmes in einem der fünfzehn Bände, die er von Meyers Konversations-Lexikon besaß. Es war die Originalausgabe, herausgegeben vom Bibliographischen Institut Leipzig. Er frischte gern sein Allgemeinwissen auf und konnte gleichzeitig die deutsche Sprache pflegen, die er ganz gut verstand, aber kaum sprechen konnte.
Ich brachte die Ereignisse eines kürzlich zum Abschluss gebrachten Falles zu Papier, wollte ich doch später einmal, wenn ich als Pensionär über viel Zeit verfügte, ein Buch über Holmes und die Erlebnisse, die ich mit ihm bei der Aufklärung verschiedener Fälle
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