Sherlock Holmes Bisher unbekannte Fälle Sammelband 1
Lebensunwille. Nichtsdestotrotz praktizierte ich weiter als Arzt und überwand diesen schlimmen Lebensabschnitt mit viel Mühe und der Liebe zu meinem Beruf.
Jetzt befinde ich mich, nur etwas mehr vom Alter gebeugt, wieder in Gesellschaft des einzigartigen Detektivs und Freundes Sherlock Holmes, der für Jahre verschwand, nachdem er mit seinem größten Gegner, Professor Moriarty, angeblich in den Reichenbachfällen ums Leben gekommen war. Glücklicherweise war dem nicht so und wir lebten beide wieder in unserer alten Wohnung in der Bakerstreet zusammen. Die gute Mrs. Hudson war schon vor Jahren zu ihrer Schwester nach Brighton gezogen und fehlte uns, doch wir pflegten keinen Kontakt mehr zu ihr. Die Welt der Frauen blieb für uns auf Distanz, die Liebe zum anderen Geschlecht lebte in unseren Erinnerungen. Ja, auch Holmes hatte die Liebe kennengelernt – und wieder verloren, wie ich. Aber wenigstens hatten wir uns wiedergefunden. Im gemeinsamen Zusammenleben glichen wir beinahe zwei gealterten Junggesellen.
An diesem Morgen nun las Holmes die Zeitung, eine Angewohnheit, die mir schon immer missfiel. Plötzlich setzte er die Teetasse, aus der er gerade trinken wollte, heftig klirrend ab. Erstaunt schaute ich von meinem Toast auf.
„Die Zeiten werden immer seltsamer, Watson! Nicht genug, dass unser King Eduard, der Siebente, das Zeitliche segnen musste, nein nun befeindet man sich auch noch im Parlament. Ich konnte diesen Herbert Henry Asquith noch nie ausstehen, auch wenn er der 1. Earl of Oxford and Asquith ist. Aber seit er Premierminister ist, ist er mir noch suspekter.
Finanzminister David Lloyd George erhöht die Erbschaftssteuer, nachdem schon eine progressive Einkommenssteuer eingeführt wurde. Nicht nur, dass alles immer teurer wird, wir habe auch immer weniger Geld im Beutel, um die steigenden Ausgaben begleichen zu können. Und obendrein fordern die Suffragetten immer dreister das Wahlrecht für Frauen. Als ob es dadurch nicht noch schlechter würde. In welcher Zeit leben wir nur, mein lieber alter Kamerad.“
„Erbschaftssteuer, hm ...Na, wenn Sie mich eines Tages beerben sollten, werden Sie nicht viel Erbschaftssteuer zahlen müssen.“
Holmes kam, wie ich, nun langsam in die Jahre und bekam immer öfter sentimentale Anwandlungen, in denen er über das Leben nachsann oder er schimpfte stundenlang über die Wirtschaft und die Politik. Ich hieß bei Weitem auch nicht alles gut, was in der Welt geschah oder die Obrigkeit beschloss, doch mich alle paar Tage stundenlang darüber auszulassen, fand ich wenig erbaulich und nicht hilfreich. Darin verstand ich Holmes nicht, der wie ein Gebetsvorsteher immer wieder das Gleiche herbeten konnte und inzwischen auf Wirtschaft, Politik, Gott und die Welt schimpfte.
Ich war froh, den Tisch abräumen zu können und mich fertigmachen zu müssen. Meine Praxis wartete auf mich oder vielmehr die Patienten darin. Das Geschäft ging gut, auch wenn, dank der Politik, immer weniger Erlös im Geldbeutel nach Abzug aller Steuern zurückblieb. Die Menschen schienen immer älter zu werden, bevor sie starben und dementsprechend mehrten sich Zipperlein, Alterskrankheiten und Kranke ganz allgemein. Die Bevölkerung wuchs und die Arztpraxen füllten sich. Dies schien eine normale Entwicklung in allen fortschrittlichen Ländern zu sein.
Mich empfing wieder ein sehr volles Wartezimmer und ich begann wie ein Arbeiter am Fließband, die einzelnen Krankheitsfälle abzuarbeiten. Ein Mann fiel mir auf, er hatte mich bereits ein oder zwei Mal aufgesucht. Er stand im besten Mannesalter, musste, wenn ich mich recht entsann, das zweite Lebensjahrzehnt bereits beendet haben und schaute hochgewachsen und hager, ja eher schon mager aus. Er wirkte krank und schwach. Ich fragte ihn nach seinem Namen, suchte mir die Akte heraus und las nach, was ich über ihn notiert hatte.
Als er das erste Mal vor einem Vierteljahr zu mir kam, klagte er über Müdigkeit, Erbrechen und Durchfall. Er verlor Gewicht und war schlapp. Wenn er sich morgens das Haar kämmte, blieben ausgefallene Haare zurück, berichtete er mir. Ich behandelte ihn auf eine kleine Unpässlichkeit, verabreichte etwas zur Stärkung und ein Vitaminpräparat.
Eine Woche später erschien er wieder in der Praxis und schilderte, er fühle sich schlechter und so sah er auch aus. Ich hörte ihn ab und befragte den Mann zu seinen Ess- und Lebensgewohnheiten. Er erzählte mir, dass er ganz normal speise, was seine Frau ihm bereite. Er arbeite
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