Sherlock Holmes Bisher unbekannte Fälle Sammelband 1
Jetzt ist das Kaufhaus etwas sicherer geworden und die Mistress wieder glücklich. Sie gab mir einen reichlichen Finderlohn, Watson, unsere Miete ist die nächsten zwei Monate gesichert.“
„Na das ist doch eine gute Nachricht, Holmes. Das freut mich. Dann sollten wir das Abendessen zur Feier des Tages außerhalb einnehmen, was denken Sie?“
„Ich wechsle nur die Jacke und sage auf geht’s!“
Leider verschlechterte sich Holmes‘ Laune in den folgenden Tagen rapide. Er hatte immer noch keinen neuen Fall, der ihn und seinen genialen Geist forderte und dementsprechend war seine Stimmung an einem Tiefpunkt angelangt. Das Wochenende verging trübselig, nur durch Holmes‘ Tiraden auf die unfähigen Politiker, neue Steuern und unser aller trauriger Zukunft unterbrochen. Er brachte es sogar fertig, sich eine Stunde lang über das Wetter aufzuregen.
Am Montag erschien der Patient erneut in meiner Praxis. Ich nenne ihn Mister Jones, um den wahren Namen nicht preiszugeben.
„Guten Tag, Mister Jones“, begrüßte ich ihn und verbarg mein Erschrecken über sein Aussehen. Ganz offensichtlich ging es ihm noch schlechter als beim letzten Mal. Er reagierte kaum und sah mich mit einem trüb umwölkten Blick an.
„Helfen Sie mir, Doktor. Ich fürchte, ich sterbe.“
Ich untersuchte ihn, soweit es mir möglich war und konnte nichts finden. Sein Haar hatte sich stark gelichtet und ich sah viele ausgefallene Haare auf seinem Kragen. Seine Hände wiesen graue Flecken auf, an denen sich die Haut trocken schuppte. Ein Fingernagel fehlte. Er bemerkte meinen fragenden Blick.
„Er ist einfach so abgegangen. Zuerst hat es nicht einmal geschmerzt. Seltsam, nicht?“
Ich wusste mir keinen Rat mehr und schickte ihn ins Hospital. Einige Tage darauf hatte ich Mr. Jones vergessen. Holmes machte mir Sorgen, er begann abzudriften. Er interessierte sich nicht mehr für die aktuellen Neuigkeiten, las keine Zeitung mehr. Er verließ das Haus nicht und wurde immer stiller. Ich befürchtete, er würde wieder in den Drogenkonsum eintauchen, wie es vor vielen Jahren schon einmal geschehen war.
Die Tage zogen dahin und eine Woche später schaute Mister Jones bei mir in der Praxis vorbei.
„Guten Tag, Doktor Watson“, begrüßte er mich mit kräftiger Stimme. „ich komme aus dem Hospital und wollte nur eben guten Tag sagen, bevor ich nach Hause fahre. Man hat mich zur Ader gelassen und mit gutem Essen meinen Körper neues Blut bilden lassen. Die Ärzte sagen, mit meinem Blut stimmte etwas nicht, aber nun ist alles wieder gut.“
„Das freut mich für Sie“, erwiderte ich, aufrichtig erfreut. „Kommen Sie gut heim und grüßen Sie Ihre Frau.“
Zu Hause zerstörte Holmes mit seinem unleidlichen Geschimpfe und Gemecker meine gute Stimmung sogleich wieder und ich zog mich alsbald zurück in mein Zimmer. Es verging eine weitere Woche und Mister Jones erschien abermals in der Praxis. Jetzt sah er aus wie ein alter Mann kurz vor dem Ableben. Er blinzelte und schien nicht gut sehen zu können, matt begrüßte er mich und sein Händedruck war der eines Toten.
„Wissen Sie noch einen Rat oder kennen Sie noch eine Medizin, Doktor?“, fragte er mich mit kaum hörbarer Stimme. „Ich fürchte, es geht mit mir zu Ende. Ich kann kein Essen mehr in mir behalten. Zwei Zähne fielen mir aus und das Zahnfleisch blutet in einem fort.“
Ich untersuchte ihn gründlich und wunderte mich, dass der Körper keine erhöhte Temperatur aufwies. Seine Haut besaß viele gerötete Stellen, Ekzeme hatten sich gebildet und das Zahnfleisch ging zurück.
„Lassen Sie mich am Abend zuhause Literatur wälzen, Mister Jones, die Symptome sind nicht klar einer bestimmten Krankheit zuzuordnen. Und ich werde einem berühmten Kollegen in Deutschland telegrafieren und Ihren Fall schildern. Kommen Sie morgen Vormittag wieder, dann beleuchten wir noch einmal auf das Genaueste Ihre Lebensweise und Lebensumstände. Sind Sie einverstanden?“
„Sie sind meine letzte Rettung, Doktor. Ich tue alles, was Sie wollen. Bis morgen.“
Auf dem Weg nach Hause telegrafierte ich einen längeren Text zu Professor Sauerbruch. Ich hätte auf der Post auch ein Telefon benutzen können, doch an diese neue technische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts konnte ich mich noch nicht gewöhnen. Ich wollte meinen Gesprächspartner sehen, auf Mimik und Gestik reagieren und nicht in ein totes Gerät sprechen und mir ein weiteres ans Ohr halten müssen, um hören zu können, was man mir
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