Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht
seht gern hatten.«
»Das kann sicherlich nicht wahr sein«, sagte ich und dachte an das schöne, lächelnde Gesicht im Garten.
»Na, wenigstens haben sie diesen Eindruck hinterlassen, Doch nehmen wir einfach einmal an, daß Barker und Mrs. Douglas ganz bemerkenswert kluge Menschen sind, die es fertigbringen, über ihr Verhältnis jedermann zu täuschen, während sie den Komplott schmieden, den Ehemann umzubringen. Zufällig war
er ja ein Mann, der bedroht war.«
»Dafür haben wir aber nur das Wort dieser beiden.«
Holmes sah gedankenvoll drein. »Watson, ich glaube, Sie bilden sich eine Theorie, die darauf fußt, das alles, was sie sagen, von Anfang an falsch ist. Wenn wir Ihrer Vermutung folgen, gab es niemals eine Bedrohung aus dem Hinterhalt oder eine Geheimgesellschaft oder das Tal der Furcht oder den Boss Mac -
wie hieß er noch? — oder irgend etwas dergleichen. Das ist eine schöne Verallgemeinerung, die alles zusammenfegt und — hinaus damit! Lassen Sie uns einmal sehen, wohin das führt. Sie erfinden diese Geschichte, um eine Erklärung für den Mord zu haben, Dann spielen sie das Spiel weiter, indem sie das Fahrrad im Garten verstecken als Beweis dafür, daß ein Außenstehender im Spiel war. Der Fleck auf der Fensterbank verweist in die gleiche Richtung, genau wie die Karte auf der Leiche, die ebenfalls im Haus geschrieben sein kann. Das alles, Watson, paßt in Ihre Hypothese. Aber nun kommen wir zu den
häßlichen, kantigen Teilen, die unnachgiebig sind und nicht ins Bild passen wollen. Warum mußte es, bei all den Waffen, die es gibt, ein abgesägtes Gewehr sein, dazu ein amerikanisches? Wie konnten sie sicher sein, daß der Schuß niemanden herbeirief? Es ist nichts als ein Glücksfall, daß Mrs. Allen nicht aufstand und nachsah, warum da eine Tür zugeschlagen worden war. Warum sollte Ihr schuldiges Paar all dies tun, Watson?«
»Ich gebe zu, daß ich das nicht erklären kann.«
»Und dann, wenn eine Frau und ihr Lieberhaber planen, den Ehemann zu ermorden, würden sie dann
gleich die Visitenkarte ihrer Schuld daneben legen, indem sie ganz unnötigerweise nach seinem Tod den Ehering abziehen? Erscheint Ihnen das alles realistisch, Watson?«
»Nein, allerdings nicht.«
»Und noch eines: Wäre es Ihnen sinnvoll vorgekommen, das Fahrrad draußen zu verstecken, wenn schon der dämlichste Detektiv sofort sieht, daß es sich um eine falsche Fährte handelt, weil nämlich das Fahrrad das Allernotwendigste ist, was der Mörder für seine Flucht braucht?«
»Dafür kann ich auch keine Erklärung finden.«
»Und doch sollte es keine Kette von Ereignissen geben, für die der menschliche Verstand keine Erklärung hat. Nur als kleine geistige Übung, ohne daß ich behaupte, daß es wahr sein müßte, lassen Sie mich einmal einen möglichen Gedankengang aufzeichnen. Ich gebe zu, es ist reine Phantasie, aber wie oft ist nicht die Phantasie die Mutter der Wahrheit?
Wir wollen einmal annehmen, daß es im Leben dieses Douglas ein peinliches Geheimnis gab, eine
wirklich schlimme Sache, deren er sich schämen mußte. Dies führt dazu, daß er von jemandem, sagen wir einem Rächer, der von außen kommt, ermordet wird. Der Rächer nimmt aus einem bestimmten Grund, für den ich, das muß ich zugeben, immer noch keine Erklärung habe, dem Toten den Ehering vom Finger.
Der Ring kann ein kompromittierendes Datum aufweisen, das auf die erste Ehe des Toten zurückgeht, und er kann aus einem solchen Grund abgezogen worden sein.
Bevor es diesem Rächer gelingt wegzukommen, haben Barker und die Frau das Zimmer erreicht. Der
Mörder überzeugt sie, daß jeglicher Versuch, ihn festzunehmen, zu öffentlichem Aufsehen und einem häßlichen Skandal führen würde. Sie lassen sich von ihm überreden und lassen ihn entkommen. Zu
diesem Zweck haben sie wahrscheinlich die Brücke heruntergelassen -das kann nämlich ziemlich
geräuschlos geschehen — und sie danach wieder hoch gezogen. Er flüchtet und glaubt aus irgendeinem Grund, daß er zu Fuß sicherer vorankommt, als mit dem Fahrrad. Er läßt deshalb sein Rad an einer Stelle zurück, wo man es nicht finden wird, bevor er nicht sicher fort ist. - Soweit halten wir uns noch in den Grenzen des Möglichen, nicht wahr?«
»Nun, möglich ist das sicherlich«, sagte ich mit einiger Reserve.
»Wir müssen uns klarmachen, Watson, daß es sich bei den Geschehnissen ganz gewiß um etwas
Außergewöhnliches handelt. Kehren wir nun zu unserem angenommenen Fall zurück,
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