Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
verschraubt, dass sie ihn ohne Werkzeuge nicht absetzen kann. Der Helm ist mit einer Kette verbunden, mit der ich Mutter zwingen kann, sich in die Mitte des Zimmers zu stellen und dort stehen zu bleiben. Wenn ich ihr Essen oder Wäsche bringe, wenn ich sauber mache, all diese Dinge. Sie können mir glauben, ich tue mehr für sie, als ein Sohn füglich für seine Mutter zu tun verpflichtet ist. Ich mache alles selbst.“
„Dr. Maltravers, als Mann der Wissenschaft müssten Sie doch wissen, dass es keine Vampire gibt! Was Sie Ihrer Mutter antun ist grausam, ist Wahnsinn!“
„Sie ist wahnsinnig! Sie beißt. Sie trinkt Blut. Was soll ich denn tun?
Ich will nicht, dass sie in einem Sanatorium dahinvegetiert. Wissen Sie, was man mit Geisteskranken tut? Man legt sie in Ketten, so dass sie tagein, tagaus unfähig zur Bewegung im Bett liegen, bis ein gnädiger Tod sie erlöst. Hier kann Mutter herumlaufen, sie kann ihr Lieblingsbilderbuch betrachten, sie kann schlafen, sich rein halten, sie hat ein den Umständen entsprechendes menschenwürdiges Dasein. Und jetzt sagen Sie mir, was daran schlecht sein soll? Sie ist krank! Vielleicht wahnsinnig!“
„Erzählen Sie. Wie kam es dazu?“
„Wir lebten in Bangalore, Mutter und ich, der Hauptstadt von Maissur. Als dort 1898 die Pest ausbrach, kam es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Hindus und Moslems, die eine große Zahl von Opfern forderten. Die Einheimischen glaubten, die Engländer hätten die Pest eingeschleppt, um die Bevölkerung zu unterdrücken. Das war natürlich barer Unsinn, aber so denken die Menschen eben. Sie bewarfen jeden Europäer, den sie sahen, mit Dreck oder Steinen. Wir versuchten längere Zeit vergeblich, das Land zu verlassen, fanden aber nicht sofort die Möglichkeit dazu. Natürlich brauchten wir auch Lebensmittel, und als Mutter versuchte, welche zu beschaffen, wurde sie angegriffen. Sie stießen sie in den Straßenkot und rieben ihr den Schmutz sogar noch mit bloßen Händen ins Gesicht. So gelangte ein Parasit in ihren Magen und breitete sich dort aus.“
„Und dieser Parasit soll ihren Blutdurst geweckt haben?“ Ich glaubte es nicht.
„Ja! Das ist so, wie man vom Verzehr ungaren Fleisches einen Bandwurm bekommt. Auf diese Weise wird der Mensch zum Wirt des Parasiten. Meine Mutter wurde aber nicht zum Endwirt, sondern zum Zwischenwirt. Larven des Parasiten setzten sich in ihrem Körper fest, wie sie das auch bei jedem Tier, einem Schwein etwa, getan hätten, und warteten darauf, verzehrt zu werden. Aber Menschen werden ja nicht verzehrt. Deshalb verkalken die Larven mit der Zeit im Schlummerstadium und werden hart. Später befallen sie dann das Nervengewebe. Diese hier zersetzen das Blut. Es begann mit leichten epileptischen Anfällen, die sich rasch verschlimmerten, und es ging weiter mit Nervenstörungen wie Halluzinationen. Sie hat einen nie versiegenden Durst nach Blut. Niemand kann sie heilen, aber ich kann verhindern, dass sie anderen Menschen Schaden zufügt. Vor etwa drei Jahren, hatte ich diese sinnreiche Vorrichtung noch nicht ...“, er deutete auf die Kette. „Da ist mir Mutter einmal ausgebrochen und hat versucht, ein Schaf zu reißen. Seither glauben die Leute, eine Vampirin treibe ihr Unwesen. Vor etwa einem halben Jahr konnte sie mir dann noch einmal kurzzeitig entwischen.“
„Das ist doch Unsinn!“, entfuhr es mir aufgebracht. „So einen Parasiten gibt es nicht! Nirgendwo auf der Welt! Sie sind verrückt, Dr. Maltravers.“
Maltravers, der sich jetzt ungeachtet des auf ihn gerichteten Revolvers auf den Stuhl setzte, seufzte auf. „Mr Holmes! Doktor! Ich versichere, ich bin alles andere als verrückt! Ich bin Wissenschaftler.“
„Und warum hängen in Ihrem Haus überall Knoblauchkränze herum? Sie glauben doch an Vampire.“
„Knoblauch wirkt bekanntlich antibakteriell, und sein Sud vertreibt Parasiten aus Magen und Darm. Und was glauben Sie, warum ich Orchideen sammle und erforsche? Ich habe Exemplare gefunden, aus deren Blättern und Wurzeln ich ein Elixier zubereite, das den Blutdurst meiner Mutter immerhin dämpft.“
Ich mochte das nicht länger mit anhören. „Maltravers!“, rief ich.
„Zum letzten Mal! Lassen Sie Ihre Frau Mutter frei! Jefferson, drehen Sie das Rad zurück.“
Dr. Maltravers nickte, als ihn Jefferson fragend anblickte. „Sie werden ja sehen, was passiert. Ich garantiere für nichts!“ Jefferson ging vor die Tür. Man hörte das Quietschen des Rades und das Rasseln der
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