Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
bestätigte Holmes. „Einer der Leibärzte des Königshauses. Eigentlich hatte ich den Platz, welchen jetzt Ihre Frau Mutter einnehmen wird, Ihnen zugedacht, denn ich hielt Sie in meiner grenzenlosen Beschränktheit für den eigentlich Wahnsinnigen. Selten im Leben habe ich mich so sehr geirrt! Sie haben jeden Anspruch auf mein allergrößtes Bedauern.“
„Dito“, wiederholte ich, „auch ich bitte Sie demütigst um Verzeihung.“
Dr. Maltarvers, der das Telegramm sinken ließ, verhielt sich wie ein zivilisierter Europäer. „Ich bekenne mich schuldig, mich verdächtig gemacht zu haben. Jeder unvoreingenommene Betrachter musste zu dem Schluss kommen, ich hielte aus niederen Beweggründen meine arme Mutter als Gefangene. Ich versichere Ihnen jedoch noch einmal, dass mich nur die lautersten Gefühle trieben. Die Geheimnistuerei war zwingend notwendig. Wäre der Zustand meiner Mutter irgendjemandem, womöglich einer Behörde, zur Kenntnis gelangt, sie wäre im Nu in einem Irrenhaus gelandet und womöglich in Ketten gelegt worden. Das konnte ich nicht zulassen. Ich habe Bedlam besichtigt! Seither dienten alle meine Forschungen und Veröffentlichungen einzig und allein dem Zweck, die Krankheit meiner Mutter zu lindern, vielleicht sogar zu heilen. Es kam aber immer wieder zu Rückschlägen, Mutter versuchte zu fliehen und wurde gesehen.“ Holmes gab sich einsichtig. „Wir haben Ihnen Unrecht getan, Dr.
Maltravers. Aber ich bitte Sie, das großzügige Angebot Sir Hillarys anzunehmen. Es wird Ihr Schaden und der Ihrer Frau Mutter nicht sein!“
Stumm und offensichtlich bewegt schüttelte Dr. Maltravers uns zum Abschied die Hände.
Einige Wochen später, es war an einem Sonntagnachmittag, saß uns Miss Payton gegenüber. Sie war wieder in Stellung gegangen und hatte einige Stunden frei bekommen, um uns aufzusuchen.
„Sie haben Anrecht auf einen vollständigen Bericht“, begann Holmes, bevor er unsere Erlebnisse im Haus des Orchideenzüchters schilderte.
„Die Erkrankung seiner Frau Mutter war der Grund, warum Dr. Maltravers das Personal immer nur für ein Jahr einstellte. Er wollte verhindern, dass die Bediensteten zu tiefe Einblicke in sein düsteres Geheimnis nähmen. Wie auch immer ... Sir Hillary ließ Mrs Maltravers gründlich untersuchen. Dabei wurde ein akuter Eisenmangel festgestellt. Dieser Mangel erklärt ihren Blutdurst, denn Blut enthält bekanntlich Eisen. Jeder Chemiker wird Ihnen das bestätigen. Der Eisenmangel konnte mit entsprechenden Medikamenten und gesunder Ernährung eingedämmt werden, und damit legte sich auch der Blutdurst. Allerdings besteht die Gefahr von Rückfällen weiterhin.
Was nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, waren mehrere Schlaganfälle, die den Geist von Mrs Maltravers erheblich eingeschränkt hatten. Sie wissen vielleicht, Miss Payton, dass Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, oft gelähmt sind oder nicht mehr sprechen können. Nun, ich darf Ihnen versichern, Mrs Maltravers hatte Glück gehabt. Sie zeigte keine Lähmungserscheinungen, weder solche des Bewegungsapparates noch solche der Sprechwerkzeuge.
An manchen Tagen kann sie jetzt klar sprechen, wenngleich nur wenige Worte. Sie muss auch nicht mehr gefesselt werden, denn sie beißt nicht mehr. Sir Hillarys Behandlung war unter dieser Rücksicht erfolgreich.“
Miss Payton hörte den Bericht mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. Ich möchte wetten, sie glaubte kein Wort.
„Der Parasit, unter dem sie leidet und der ihren Eisenmangel mit verursacht hat, ist jedoch unheilbar. Man kann seinem unheilvollen Wirken jedoch für einige Zeit Einhalt gebieten. Dr. Maltravers hat das richtige Mittel gefunden.“
„Mit seinen gekochten Orchideen?“, wollte Miss Payton wissen.
„Genau, Miss Payton. In einer seiner Orchideen, die ich untersuchen durfte, fand sich ein ungewöhnlich hoher Eisengehalt. Ein Extrakt daraus behob den Eisenmangel, die Ursache der Beißwut der alten Dame. Allerdings wirkte der Orchideenextrakt nicht mit der gewünschten Gleichmäßigkeit. Nicht jede Pflanze enthält gleich viel Eisen, so dass es immer wieder zu Rückfällen kam. Sie aber, Miss Payton, haben ein gutes Werk getan. Ohne sie hätte das Leiden der Mrs Maltravers angedauert. Hätten Sie uns nicht auf den Plan gerufen, und ihr wäre nicht geholfen worden. So aber fand sich ein fähiger Mediziner, der ihr Leiden erträglicher gestalten konnte. Sie müssen sich also keine Gedanken machen, dass Sie Ihrem
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