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Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel

Titel: Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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meinem Freund rutschend und leise fluchend hinterher. Ein Beamter des Yards nahm uns unten in Empfang und führte uns den Turm hinauf zur Kammer mit dem gigantischen Uhrwerk.
    Unterwegs kamen wir auch an dem Gefängnis vorbei, in dem zehn Jahre zuvor der streitbare Charles Bradlaugh als letzter Insasse überhaupt in Big Ben eingesperrt worden war.
    Im Uhrturm angekommen, überkam mich dieselbe Ehrfurcht wie immer. Ich sah die beeindruckende Konstruktion von Sir George Airey und Edmund Denison zwar nicht zum ersten Mal – nach unseren jüngsten Erlebnissen und deren Verbindung zu Uhren erschienen mir die großen Zahnräder jedoch einschüchternder und bedrohlicher als jemals zuvor. Der Constable lenkte unsere Aufmerksamkeit auf einen jungen Mann, der unterhalb dreier riesiger Stirnräder an einer hüfthohen Steinmauer lehnte und von einem älteren Polizisten versorgt wurde. Blut floss aus einem Schnitt mitten auf der Stirn des jungen Mannes, schneller als der grauhaarige Polizist mit einem Taschentuch tupfen konnte. Ich ging sofort zu ihnen und bot meine Hilfe an. Drei Männer – vermutlich Hüter der Großen Uhr – standen mit bangem Gesichtsausdruck daneben und unterhielten sich leise; einer zupfte sich nervös am Bart. Sie hatten keinen Blick für den Verletzten und musterten kritisch die Bestandteile des von ihnen gehegten und gepflegten Uhrwerks.
    Lestrade, der am anderen Ende der geräumigen Turmkammer stand, gab zwei seiner Unterstellten noch ein paar Anweisungen.
    Dann gesellte er sich mit mürrischem Gesicht zu uns. „Danke, dass Sie so schnell kommen konnten. Das ist Mickey Donaldson“, sagte der Inspektor. „Er und seine Kollegen haben heute Morgen die Uhren geputzt.“
    Holmes und ich nickten wissend. Ganz London kannte die waghalsigen Männer, die sich regelmäßig abseilten und die vier Uhren von den Spuren der Witterung und vorbeiziehender Vogelschwärme befreiten, damit das Mauerwerk, die großen Zeiger und die Ziffernblätter ebenso wie das wundervolle DOMINE SALVAM FAC REGINAM NOSTRAM VICTORIAM PRIMAM – die lateinische Inschrift zu Ehren unserer Königin – im gewohnten Glanz knapp einhundert Yards über dem Boden erstrahlen konnten.
    „Erzählen Sie Mr Holmes und Dr. Watson, was Sie mir vorhin berichtet haben“, bat Lestrade den Mann mit der Schnittwunde, deren Form mir inzwischen nur allzu vertraut vorkam. Ich hatte die Blutung in den Griff bekommen – ein einfacher Pressverband musste reichen, bis dem Mann im Hospital mit Nadel und Faden weitergeholfen werden konnte.
    „Wir waren mit unserer Arbeit fertig und schon so gut wie unten, als ich bemerkte, dass ich meine Pralinen vergessen habe“, sagte der junge Uhrputzer mit schwacher Stimme. „Ich habe die Schachtel heute Morgen hinter der Mauer versteckt, damit die Jungs sie nicht sehen. Sie hätten mich sonst nur ständig damit aufgezogen. Sie sind alle schon mindestens zehn Jahre verheiratet und tun so, als ob sie nicht mehr wissen, wie es ist, wenn man frisch verliebt ist.“ Lestrade lächelte für seine Verhältnisse regelrecht warmherzig. Der ältere Constable und ich blickten freundlich drein. Nur Holmes verzog keine Miene.
    „Nun“, fuhr Donaldson mit belegter Stimme fort, die eindeutig noch vom Schock durchdrungen war. „Ich ging also noch mal zurück, um die Schachtel für meine Daisy zu holen. Da sprang mich irgendwas von der Mauer an. Etwas Scharfes traf mich genau an der Stirn.“ Er wollte die verbundene Wunde berühren, hielt sich im letzten Moment aber gerade noch zurück. „Hat höllisch wehgetan.“
    „Und Sie sind sich wirklich sicher, dass Sie Ihren Angreifer nicht gesehen haben?“, nahm Lestrade anscheinend den Faden einer früheren Befragung des jungen Uhrputzers wieder auf.
    „Ich ... das Blut schoss mir sofort in die Augen, Inspektor. Und hier ist es ja eh immer ziemlich düster. Aber ich will es mal so sagen – eine Taube war das nicht.“
    Holmes suchte den Blick des Burschen. „Warum haben Sie solche Angst davor, uns zu erzählen, was Sie wirklich gesehen haben?“, fragte der Detektiv geruhsam.
    Donaldson wich Holmes’ Blick aus.
    „Würde es helfen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich vor einigen Tagen von ein paar wild gewordenen Spielzeugsoldaten mit Äxten und Schwertern angegriffen und ziemlich übel zugerichtet worden bin?“ Holmes schob den Mantelärmel zurück und zeigte einen seiner Verbände.
    Donaldson sah erst die Binden und dann den Detektiv ein paar Sekunden lang abwägend an.

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