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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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redete und dabei gestikulierend seine riesigen Arme schwang, war kaum noch Platz für etwas anderes im Zimmer. Seine Gedanken, seine Emotionen und Passionen, alles war übertrieben und mons t-rös. Er redete, oder vielmehr er brüllte mit einem solchen Stimmaufwand, daß die anderen nur dasitzen und zuhören konnten, von seiner Lautstärke und dem Redestrom überwältigt. Seine Augen glühten, wenn er einen ansah, und man fühlte sich ihm völlig ausgeliefert. Er war ein schrecklicher Mann. Ich danke Gott, daß er tot ist!
    Er kam immer und immer wieder. Und doch fühlte ich, daß Gennaro in seiner Gegenwart genau so unglücklich war wie ich. Mein armer Mann saß blaß und lustlos da, wenn er endlos über sein Hauptthema, Politik und die soziale Frage, redete. Gennaro sagte nichts, aber ich, die ich ihn so gut kannte, sah in seinem Gesicht Emotionen, die früher nicht da gewesen waren. Erst dachte ich, er hätte einfach nur eine Abneigung gegen den Mann. Aber es war Angst, eine tiefsitzende, schreckliche Angst. An dem Abend, als ich begriff, daß er schlichte Angst hatte, legte ich meinen Arm um Gennaro und bat ihn, um unserer Liebe willen mir doch zu sagen, was los war. Ich wollte wissen, warum dieser Riese unser Leben derartig überschattete.
    Er hat es mir erzählt, und mir erstarrte das Blut in den Adern. Mein armer Gennaro hatte in seinen hitzigen, wilden jungen Tagen, als er meinte, alle Welt sei gegen ihn, und als ihn die Ungerechtigkeit in dieser Welt halb verrückt machte, sich einer neapolitanischen Geheimge-sellschaft angeschlossen, dem Roten Kreis, einer Untergruppe der alten Carbonari. Die Schwüre und Geheimnistuereien in dieser Bruderschaft waren grauenhaft, aber wer sich ihnen einmal angeschlossen hatte, konnte ihnen nicht mehr entkommen. Als wir nach Amerika gingen, dachte Gennaro, daß er sie für immer abgeschüttelt hätte. Zu seinem Ent setzen traf er eines Tages auf der Straße genau den Mann, der ihn damals in Neapel in die Gruppe eingeführt hatte, den Riesen Gorgiano, den Mann, der unzählige Morde auf seinem Gewissen hatte und bei dessen Namensnennung man im Süden Italiens nur an Tod dachte. Er war vor der italienischen Polizei geflohen und nach Amerika gekommen. Und er hatte inzwischen schon wieder eine Zweigstelle seiner schrecklichen Gesellschaft in seiner neuen Heimat gegründet.
    All das erzählte mir Gennaro und zeigte mir eine Einladung, die er am gleichen Tag bekommen hatte. Der Kopf des Briefes bestand aus einem großen, roten Kreis und der Inhalt besagte, daß an dem und dem Tag ein Treffen abgehalten würde und sein Erscheinen Pflicht sei.
    Das war schon schlimm genug, aber es sollte noch schlimmer kommen. Seit einiger Zeit schon hatte ich gemerkt, daß Gorgiano, wenn er am Abend zu uns kam, was sehr häufig der Fall war, sehr oft zu mir gewandt sprach. Selbst wenn seine Worte für meinen Mann bestimmt waren, hatte er seinen starrenden Blick immer auf mich gerichtet. Eines Abends kam das Geheimnis heraus. Ich hatte in ihm das erweckt, was er >Liebe< nannte, die Liebe eines Tieres, eines Wilden. Gennaro war noch nicht heim- gekommen, als der Kerl bei uns auftauchte. Er drängte sich zur Tür hinein, packte mich mit seinen mächtigen Armen, zog mich wie ein Bär an sich und bedeckte mich mit Küssen. Er wollte, daß ich mit ihm fortging. Ich kämpfte und schrie und versuchte, mich zu befreien. Da kam Gennaro und eilte mir zu Hilfe. Der Riese schlug auf Gennaro ein, daß er besinnungslos am Boden liegenblieb. Dann floh er. Er ist niemals wiedergekommen. In der Nacht haben wir uns einen Todfeind geschaffen.
    Das Treffen des Roten Kreises fand ein paar Tage später statt. Gennaro kam mit einem solchen Ausdruck im Gesicht heim, daß ich gleich wußte, es mußte etwas Schreckliches passiert sein. Es war schlimmer, als wir es uns je vorstellen konnten. Die Gesellschaft lebte davon, daß sie reiche Italiener erpreßte und mit dem Tode bedrohte, wenn die Summen nicht gezahlt wurden. Es schien, als wenn sie sich an Castalotte, unseren guten Freund und Helfer, heran-gemacht hätten, um ihn zu Zahlungen zu zwingen. Er hatte offenbar nicht nachgegeben und den Drohungen standgehalten. Die Drohbriefe hatte er der Polizei übergeben. Nun waren sie übereingekommen, daß an ihm ein Exempel statuiert werden sollte, daß alle anderen Opfer von einer Rebellion abhalten würde. Die Gesellschaft hatte beschlossen, daß er und sein Haus mit Dynamit in die Luft gejagt werden sollte. Es wurde ausgelost,

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